1-jähriger Elternzeitroadtrip im Camper durch Südamerika: Peek of the week

Wir sind seit August 2019 mit unseren beiden Kids (3 und 5 Jahre) für ein Jahr im Camper in Südamerika unterwegs. Soweit es die Internetverbindung zulässt, geben wir hier wöchentlich im Rahmen unseres „Peek of the week“ Einblicke in unsere Reise. Mehr Impressionen gibt’s auf Instagram und Facebook. Unsere Reiseroute findet ihr hier.

Woche 32 (30.03.20 – 02.04.20)
Over and out – das vorzeitige Ende unseres Südamerika-Roadtrips

Eigentlich dachten wir, dass wir’s mehr oder weniger geschafft haben, sobald wir in unserem Hostel in Flughafennähe sind. Dass wir dort nur noch darauf warten müssten, bis wir von der Botschaft darüber informiert werden, dass wir aufgrund der Priorisierung von Familien mit Kindern beim nächsten Rückholflug dabei sind.
Ganz so easy sollte es dann aber doch nicht werden.
Da unser Hostel eines der wenigen ist, die inoffiziell noch geöffnet haben, ist dort ein ständiges Kommen und Gehen, primär von Reisenden aus der Schweiz, Holland und Deutschland. Die meisten kommen am Tag vor ihrem Rückflug und bleiben nur für eine Nacht. Neben uns wartet dort noch eine andere Familie aus Deutschland mit einem 10 Monate alten Kind bereits seit mehreren Tagen. Wir fiebern alle auf Montag hin, denn die Bestätigungen für einen Rückholflug werden von der Deutschen Botschaft in der Regel erst 48 Stunden vor Abflug bekannt gegeben. Wir checken alle 10 Minuten unseren Maileingang – nichts. Auch die andere deutsche Familie wurde entweder vergessen oder nicht berücksichtigt. Am späten Nachmittag erfahren wir in einer WhatsApp-Gruppe von deutschen Overlandern, die alle in Argentinien gestrandet sind, dass einige bereits am frühen Nachmittag eine Flugbestätigung erhalten haben, obwohl sie ohne Kinder reisen und sich zum Teil noch in Provinzen befinden, die so weit von Buenos Aires entfernt sind, dass sie den Flug unmöglich wahrnehmen können. Daraufhin treten wir wieder mit Andreas Vollmer, dem Honorarkonsul von Mendoza, in Kontakt, der uns bereits bei unserer Flucht nach Buenos Aires sehr engagiert geholfen hat. Er platziert unseren Fall an oberster Stelle bei der Deutschen Botschaft und kurze Zeit später haben sowohl wir als auch die andere Familie die Bestätigung, dass wir 2 Tage später mit dem Rückholflieger nach Frankfurt fliegen können. Puh.
In der Zwischenzeit ist auch noch eine Gruppe von 15 deutschen Abiturienten, die seit August Freiwilligendienst in Argentinien leisten, in unserem Hostel gestrandet. Als Peter kurz raus geht, um Lebensmittel einzukaufen, wird er von den Nachbarn denunziert. Kurze Zeit später steht die Polizei vor unserem Hostel und registriert alle Anwesenden. Jeder wird fotografiert, selbst Nora und Jakob müssen einzeln vortreten. Als sie nach mehreren Stunden wieder abziehen, informiert ein Schild „Cerrado por cuarantena“ darüber, dass das Hostel nun dicht ist. Wohl aufgrund dessen, dass die Abiturienten im Bus mit mehreren Personen nach Buenos Aires gekommen sind. Wir befürchten, dass wir nun erneut 2 Wochen festsitzen, erhalten aber dann Entwarnung, da wir einen bestätigten Rückflug haben. Allerdings dürfen wir nun auch nicht mehr zum Einkaufen vor die Tür. In der Nacht vor unserem Rückflug hämmert ein Reisender die halbe Nacht an die Hosteltür – er hatte wohl reserviert, bevor das Hostel geschlossen wurde. Das führt natürlich dazu, dass die Polizei am nächsten Morgen wieder auftaucht, mit einem nach Kammerjägern aussehenden Team, das den Eingangsbereich des Hostels desinfiziert. Wieder schwinden unsere Hoffnungen, heute fliegen zu können. Erneut werden wir registriert und nach zähen 2 Stunden, die das Prozedere in Anspruch nimmt, entschuldigen sie sich bei uns für die Unannehmlichkeiten und teilen uns mit, dass wir später, auf 2 Taxis aufteilt, zum Flughafen eskortiert werden. Am offiziell geschlossenen Flughafen ist die Lage recht entspannt, obwohl nicht alle Leute, die dort warten, bei diesem Rückholflug berücksichtigt werden können. Es handelt sich primär um junge Leute, viele Rucksackreisende und Familien. Im Flieger hält der Botschafter eine Ansprache und erntet dafür großen Applaus. 
– Um eventuelle Kommentare oder Gedanken vorwegzunehmen: Nein, bei den Rückholflügen handelt es sich nicht um kostenlose, von den Steuerzahlern finanzierte Flüge. Uns werden dafür im Nachhinein „Kosten in Höhe eines Economy-Tickets“ in Rechnung gestellt werden. Wie hoch diese genau sein werden, wissen wir nicht. – 
13 Stunden später sind wir wieder in Deutschland. 4 Monate früher als geplant. Da unsere Wohnung noch bis Ende Juli vermietet ist, wohnen wir jetzt erstmal bei Peters Eltern in Franken.
Unsere Gefühle sind sehr vielschichtig. Einerseits sind wir erleichtert, denn die letzten Tage haben uns darin bestärkt, dass es die richtige Entscheidung war, jetzt, wo es noch Rückholflüge gibt, nach Deutschland zurückzukehren. Auch, wenn die Situation dort auch alles andere als angenehm ist. Andererseits sind wir auch unendlich traurig. Traurig, weil wir unsere Reise so abrupt und unter diesen Umständen abbrechen mussten und wir das „wirkliche Lateinamerika“, das eigentlich erst ab Nordargentinien beginnt, nun gar nicht mehr kennenlernen werden. Traurig, weil wir nicht wissen, wann und wie wir unseren Camper wiedersehen. Und traurig, weil wir glauben, dass es für sehr lange Zeit nicht mehr möglich sein wird, so durch Südamerika zu reisen, wie wir es noch erleben durften. Gleichzeitig sind wir für die vergangenen 7,5 Monate auch wahnsinnig dankbar. Wir haben so unglaublich viele Eindrücke gesammelt und tolle Momente gehabt, die wir zum Teil erst jetzt richtig verarbeiten können. Unsere Sicht auf viele Dinge hat sich durch die Reise verändert. Argentinien und auch Chile haben uns nicht nur aufgrund der grandiosen Landschaften und des Wildlifes in ihren Bann gezogen, sondern auch aufgrund der Menschen und deren Einstellung. Wir haben die Menschen dort als äußerst offen, interessiert und unglaublich hilfsbereit kennengelernt.  Bis zum 13. März haben wir uns immer willkommen gefühlt und es gab eigentlich keine Situation, in der wir uns unwohl oder nicht sicher gefühlt hätten.
Dass wir jetzt gegen Ende erleben mussten, dass einige Argentinier den europäischen Reisenden die Schuld daran geben, dass Corona nun auch in Argentinien angekommen ist, trübt in keinster Weise unseren Eindruck, den wir während den vergangenen Monaten gewonnen haben. Menschen, die in einer solchen Extremsituation irrationales Verhalten an den Tag legen, sind wahrscheinlich in allen Ländern anzutreffen. 
Und auch, wenn das knallharte Durchsetzen der von der argentinischen Regierung verabschiedeten Maßnahmen uns persönlich mit Problemen konfrontiert hat: Wir sind zutiefst beeindruckt davon, in welch früher Phase sich die argentinische Regierung zu solch radikalen Maßnahmen durchgerungen hat, und das, obwohl das Land wirtschaftlich sowieso schon so gebeutelt ist. Dass gleichzeitig auch soziale Aspekte sehr früh berücksichtigt wurden, wie z.B. die Unterstützung von hilfsbedürftigen Personen, das Aussetzen von Kündigungen während der Krise etc. Und wie schnell die Maßnahmen in einem solch riesigen Land umgesetzt wurden und auch von der Bevölkerung akzeptiert wurden.
Wir hoffen sehr, dass sich dieses in jeglicher Hinsicht faszinierende Land auch nach dieser Krise, wie so oft schon, wieder aufrappelt. Und das wir vielleicht irgendwann doch nochmal dorthin zurückkehren können, um unsere Reise würdig zu beenden.

Woche 31 (23.03.20 – 29.03.20)
Fluchtversuche – Overlanding in Argentinien während der Corona-Krise

Obwohl wir alle Voraussetzungen erfüllen und die Unterlagen beisammen haben, die die deutsche Botschaft für eine Fahrt während der Ausgangssperre empfohlen hat, kommen wir bei unserem ersten Fluchtversuch nicht weit. Und zwar nur bis zum örtlichen Krankenhaus, wohin uns die Ortspolizei eskortiert, nachdem wir am Campingplatz mitgeteilt haben, dass wir abreisen. Da wir noch keine 14 Tage in Argentinien sind, weigert sich der zuständige Chefarzt, uns ein Gesundheitszertifikat auszustellen, obwohl wir kein Fieber haben und auch unsere Sauerstoffsättigung im grünen Bereich ist. Insofern sind wir nach einer Stunde zurück am Campingplatz und breiten uns dort erneut aus. Keine 2 Stunden später taucht die Ortspolizei auf ihren Mopeds wieder auf und wedelt mit strahlenden Gesichtern mit unseren Gesundheitszertifikaten – wir dürften doch fahren. Doof nur, dass wir uns gerade einen Cuba Libre gegen den Frust gegönnt haben. Wir teilen ihnen mit, dass wir am nächsten Tag in der Früh losstarten und schenken ihnen zum Dank unsere letzten Tafeln deutsche Schokolade. Am späten Nachmittag, wir kommen gerade aus dem Pool, taucht dann plötzlich die Provinzpolizei auf und eröffnet uns, dass wir doch nicht fahren können. Diesmal aber nicht wegen der individuellen 14-tägigen Quarantäne, sondern wegen der allgemeinen Ausgangssperre. Wenn wir das nicht akzeptieren wollen, müssten wir mit der Gendamerie Nacional Kontakt aufnehmen.
Wir haben keine Lust mehr auf das Hin und Her und beschließen, mindestens so lange auf unserem Campingplatz zu bleiben, bis wir 14 Tage im Land sind und bis dahin das Beste daraus zu machen. Immerhin haben wir hier Sommer, die Kids können den ganzen Tag draußen herumtoben und wir haben einen Pool, in dem Nora ihr gerade erworbenen Schwimmkünste vertiefen kann. Wer weiß, wann man in Deutschland wieder schwimmen gehen kann. Außerdem möchten wir es uns nicht mit der Polizei verscherzen, indem wir ihnen auf die Nerven gehen und sie daran hindern, die an sich sinnvollen Maßnahmen der argentinischen Regierung durchzusetzen. Etwas abschreckend ist auch ein Fernsehbericht über eine französische Familie, die ebenfalls im Camper unterwegs war und verhaftet wurde, weil sie die Ausgangssperre mißachtet hatte.
Wir informieren die Botschaft über unseren mißglückten Fluchtversuch und unsere Absicht, zumindest die paar Tage noch hier abzusitzen.  Sie geben uns jedoch ziemlich deutlich zu verstehen, dass sie zum jetzigen Zeitpunkt noch was für uns tun können, aber später wohl nicht mehr. Von daher empfehlen sie uns dringend, uns schnellstmöglich nach Buenos Aires zu begeben.
Am nächsten Tag sollen wir mit der offiziellen Erlaubnis der Gendamerie Nacional nach Buenos Aires fahren können. Wir packen also wieder, sind am nächsten Tag um 10:00 Uhr startklar und warten auf das angekündigte Auftauchen der Gendamerie Nacional. Es tut sich nichts. Am späten Nachmittag erzählen wir dem Campingplatzbesitzer davon. Er ruft bei der Gendamerie Nacional an, kurze Zeit später sind sie da und teilen uns mit, dass wir nach dem Absitzen unserer Quarantäne, also in 2 Tagen, losstarten können. Als uns dann auch noch die Spedition den Einliefertermin für unseren Camper im Hafen bestätigt, haben wir kurzzeitig einen Masterplan: Wir starten am Freitag los, liefern unseren Camper am Montag im Hafen ein und aufgrund der Kinder müssten wir gute Chancen haben, beim nächsten Rückholflug am Mittwoch berücksichtigt zu werden. Der Masterplan wird jedoch kurze Zeit später schon wieder zerschlagen: Die Spedition informiert uns, dass wir unseren Camper doch nicht vor Mittwoch einliefern können. Also nehmen wir vorsorglich mit Chris von Andean Roads Kontakt auf, der früher selbst Overlander war und jetzt in Buenos Aires u.a. Storage-Space für Reisemobile anbietet.
Am darauffolgenden Tag erfahren wir, dass es unsere österreichischen Freunde ohne Probleme von Córdoba nach Buenos Aires geschafft haben und wir sind guter Dinge, was unseren dritten Fluchtversuch am nächsten Tag angeht. Abends informiert uns die Spedition, dass der Hafen aufgrund eines Corona-Verdachtfalls bis auf Weiteres schließen muss. Zwei Stunden später gibt es wieder Entwarnung.
Dann ist er da, der große Tag. Um 10:00 Uhr fahren die Gendamerie Nacional und ein Krankenwagen am Campingplatz vor. Wir freuen uns, dass uns die Fahrt zum Krankenhaus diesmal erspart bleibt. Es wird eine Behelfskrankenstation für uns aufgebaut und Fieber gemessen. Anschließend bekommen wir unser drittes Gesundheitszertifikat und die Polizei fährt sogar extra nochmal los, um unseren Passierschein für uns auszudrucken. Dann sind wir frei. Doch nach nicht mal 5 Minuten stehen wir an der ersten Polizeisperre, die von unserem Fall nichts zu wissen scheint. Wir meistern sie trotzdem und auch alle weiteren 16, die noch folgen sollen, bis wir in unserem Hostel in der Nähe des Flughafens in Buenos Aires sind. Mal ist es einfacher und die Polizisten entschuldigen sich sogar dafür, mal dauert es länger und wir sind uns schon fast sicher, dass wir nicht weiterfahren können.
Die Straßen sind wie ausgestorben, Netz hat man meistens auch nicht. Jetzt eine Panne zu haben, wäre äußerst ungünstig. Wir legen 1.000km in 14 Stunden zurück und stoppen nur zum Tanken und Pinkeln. Zwischendurch erfahren wir, dass das mit unserem Storage-Space wohl doch nichts wird, da Chris wohl ziemlich Ärger mit den Nachbarn bekommen hat, aufgrund der vielen Overlander, die gerade ihre Camper bei ihm abstellen und es zudem immer schwieriger wird, Taxis von dort zum Flughafen zu organisieren. Unser Kinder-Bonus kommt uns jedoch auch hier zugute: Er bemüht sich, eine Lösung für uns zu finden. Wir könnten jedoch auf keinen Fall unseren Camper bei ihm verschiffungsfertig machen, sondern müssen exakt zu einer bestimmten Uhrzeit da sein, die fertig gepackten Taschen ausladen und dann bringt uns sein vorab bestellter Fahrer zu unserer Unterkunft, um so wenig Aufsehen wie möglich zu erregen. Er gibt uns den Kontakt eines der wenigen Hostels, die aktuell noch Reisende aufnehmen und wir reservieren dort ein Zimmer.
Um ein Uhr nachts kommen wir zu einer Tankstelle, deren Tankwart uns freundlicherweise erlaubt, über Nacht dort zu bleiben, nachdem ihm Peter unsere unbenutzten Benzinkanister vermacht hat. Da sich unmittelbar daneben eine Polizeistation befindet, befürchten wir, dass wir vertrieben werden, sobald sie wieder besetzt ist. Um halb sechs sind wir mit Packen und Putzen einigermaßen fertig und gönnen uns noch 1,5 Stunden Schlaf. Dann nehmen wir die restlichen 400km in Angriff und sind eine Stunde vor der vereinbarten Zeit zur Camperabgabe in Buenos Aires. Wir parken an einer Tankstelle in der Nähe von Andean Roads und werden vor der Polizei zwar kritisch beäugt, aber nicht vertrieben. Die letzte Polizeikontrolle bevor wir unseren Camper abliefern ist nochmal etwas tricky, da wir den Polizisten klar machen müssen, warum wir jetzt nicht auf direktem Weg zum Flughafen fahren. Und dann geht alles sehr schnell. Wir müssen Abschied nehmen von unserem Bimi, der in den letzten 6,5 Monaten unser Zuhause war, und zwängen uns mit unserem Gepäck in das Incognito-Taxi, dessen Fahrer über eine Sondergenehmigung verfügt. Unser Hostel hat uns angewiesen, bei den Polizeikontrollen anzugeben, dass unsere Botschaft diese Unterkunft für uns reserviert hat, offiziell dürften sie wohl nicht mehr offen haben. So kommen wir auch noch durch die 4 weiteren, zum Teil recht strengen Polizeikontrollen und sind eine Stunde später ziemlich geplättet in unserem Hostel, wo wir jetzt darauf warten, dass wir im Idealfall beim nächsten Rückholflug in 4 Tagen berücksichtigt werden.

Woche 30 (16.03.20 – 22.03.20)
Gestrandet – Overlanding in Argentinien während der Corona-Krise

Wie schnell sich doch die Welt verändert hat. Als wir am 13.03. über den 4.753m hohen Agua Negra Pass von Chile wieder nach Argentinien eingereist sind, haben wir noch nicht geahnt, dass wir zehn Tage später alles daran setzen würden, um samt unserem Camper schnellstmöglich aus dem Land zu kommen, um in ein Land zurückzukehren, das von der Corona-Krise zum aktuellen Zeitpunkt weitaus schlimmer getroffen ist, als das Land, in dem wir uns aktuell befinden. Doch der Reihe nach.
Die Grenze zu Argentinien können wir am 13.03. noch ohne Probleme überqueren, wir werden lediglich gefragt, wann wir aus Deutschland ausgereist sind. Bereits zu diesem Zeitpunkt muss jeder Reisende, der sich in der letzten Zeit in Europa aufgehalten hat, für 14 Tage in Quarantäne. Kurze Zeit später erfahren wir, dass es in Kürze vorerst für einen Monat keine Flüge aus und nach Europa mehr geben wird. Wir lassen uns auf dem erstbesten Campingplatz mit Wifi nach der Grenze nieder, um die Lage zu sondieren. Am späteren Abend erreicht uns eine WhatsApp-Nachricht unserer österreichischen Freunde, die sich ca. 600km nördlich von uns befinden. Die Polizei samt Krankenpersonal wäre gerade auf ihren Campingplatz gekommen, sie wurden zu einem einsamen Ort gebracht und müssten dort für 14 Tage in Quarantäne gehen. Später erfahren wir, dass sie nach stundenlangen Verhandlungen zwischen der Polizei und der österreichischen Botschaft freigelassen wurden. Wir beschließen, am nächsten Tag ganz in der Früh in den ca. 50km entfernten Nachbarort zu fahren, weil es dort einen Campingplatz gibt, der nur 1/10 dessen kostet, was wir aktuell zahlen und der zudem einen Pool und Geschäfte in Laufweite hat. Wir schaffen es, ohne aufgehalten zu werden nach San José de Jachál zu kommen, zu tanken und uns mit dem Nötigsten zu versorgen. Als wir später erfahren, dass der argentinische Präsident am späten Nachmittag höchstwahrscheinlich eine 10-tägige Ausgangssperre für ganz Argentinien bekannt geben wird, macht sich Peter mit unserem 95l-Rucksack auf, um noch mehr Vorräte zu besorgen. In die Geschäfte werden nur noch 3 Leute gleichzeitig gelassen und in der Apotheke werden sogar unsere Kreditkarten desinfiziert. Am Abend stellt sich heraus, dass zwar noch keine Ausgangssperre verhängt wurde, aber dass ab dem nächsten Tag die Grenzen komplett dicht sind. Am nächsten Tag läuft Peter erneut in den Ort – wir wollen uns vorsorglich noch Bargeld besorgen, das stellt nämlich schon in Nicht-Krisenzeiten in Argentinien oftmals ein Problem da. Mit etwas Überredungskunst schafft Peter es, dass sich der Postmensch bereit erklärt, eine Ausnahme zu machen und für uns Ausländer eine Western Union Transaktion auszuzahlen – allerdings nicht in der angewiesenen Höhe und auch nicht heute, da er heute kein Geld bekommen hat. Wir beschließen, unser Glück morgen nochmal zu versuchen, aber den geringeren Betrag erst dann anzuweisen, wenn wir sicher wissen, dass er uns das Geld auch auszahlen kann. Am Geldautomaten Geld abzuheben ist keine Option, dort bekommt man i.d.R. nur rund 60€ – und auch das nicht immer. In der Zwischenzeit sind auch noch Miri und Tobi, 2 Motorradfahrer aus Karlsruhe, die schon seit 2 Jahren unterwegs sind, auf unserem bis dato Privat-Campingplatz gestrandet. Bei jedem Motorengeräusch befürchten wir, dass die Polizei aufkreuzt und uns aus unserer doch recht komfortablen freiwilligen Quarantäne-Unterkunft vertreibt.
Am nächsten Tag starten Peter und Miri in den Ort los. Die Lage ist schon etwas angespannter, Peter informiert mich per WhatsApp, dass ich das Geld schnell anweisen müsse, da die Post nach ihm vorzeitig schließt. Genau in diesem Augenblick fährt die Polizei am Campingplatz vor und nimmt unsere Daten auf. Sie sind dabei äußerst freundlich und entschuldigen sich mehrfach, vor allem wegen der Kinder. Als sie sehen, dass wir erst kürzlich aus Chile eingereist sind, meinen sie, dass wir den Campingplatz für die nächsten 14 Tage nicht verlassen dürfen. Ich schaffe es, nebenbei die Western Union Transaktion zu tätigen. Miri wurde inzwischen im Ort von der Polizei aufgegriffen und per Telefon von „unseren“ Polizisten angewiesen, Essen für 14 Tage zu besorgen. Peter schafft es tatsächlich, das Geld zu bekommen und kauft noch mehr Vorräte ein. Inzwischen ist auf dem Campingplatz auch ein Krankenwagen vorgefahren. Uns werden Fragen zu unserem Gesundheitszustand gestellt und anschließend erfahren wir, dass wir doch nicht in Quarantäne müssen und theoretisch weiterreisen könnten. Theoretisch, denn es wurden bereits diverse Provinzgrenzen geschlossen. Über Facebook- und WhatsApp Gruppen sind wir im ständigen Austausch mit anderen Overlandern. Manche Overlander, die sich nicht rechtzeitig niedergelassen haben, werden mit massiven Problemen konfrontiert. Campingplätze werden geschlossen, sie werden von Ort zu Ort geschickt oder an wenig angenehmen Orten am Weiterfahren gehindert. Die Bevölkerung ist dazu aufgerufen, Ausländer der Polizei zu melden. Noch tendieren wir dazu, das Ganze hier auszusitzen. Die schnellen, radikalen Maßnahmen der argentinischen Regierung und die aktuell noch geringen Fallzahlen lassen hoffen, dass Argentinien Corona besser in den Griff bekommt als Europa. Unsere größte Befürchtung ist, dass der Campingplatz hier schließen muss. Zumindest hinsichtlich einer zweiten Sorge bekommen wir Entwarnung: Während der Versicherungsschutz von etlichen Reisekrankenversicherungen 14 Tage nach Verhängung einer Reisewarnung laut AGB erlischt, scheint das bei unserer Versicherung nicht der Fall zu sein.
Einen Tag später sehen wir die Situation schon etwas anders. Wir befürchten, dass es zunehmend schwieriger werden wird, unseren Camper noch zurück nach Deutschland zu bekommen. Als wir erfahren, dass Argentinien eines der acht Länder ist, für die die deutsche Regierung im ersten Schritt eine Rückholaktion anbietet, bewerben wir uns dafür und versuchen, eine schnellstmögliche Verschiffung zu buchen. Am Abend verkündet der argentinische Präsident, dass ab Mitternacht eine 12-tägige Ausgangssperre für das ganze Land verhängt wird, auf deren Einhaltung strikt geachtet wird. Es dauert nicht lange, bis einem die ersten Geschichten von Fahrzeugkonfiszierungen und Verhaftungen zu Ohren kommen. Wir treten mit der deutschen Botschaft in Buenos Aires in Kontakt und mit dem Honorarkonsul, der für unsere Provinz zuständig ist.
Zwei Tage später erfahren wir von der deutschen Botschaft, dass man mit einem gültigen Flugticket trotz Ausgangssperre nach Buenos Aires fahren darf, wenn man symptomfrei ist. Bei der Rückholaktion wird man allerdings wohl nur berücksichtigt, wenn man sich bereits in Buenos Aires befindet… Wir stellen fest, dass es entgegen der offiziellen Aussage, dass der Flugverkehr nach Europa eingestellt ist, noch ein paar Flüge nach Europa gibt – mit 40-50 Stunden Reisedauer und 2-4 Zwischenlandungen in aktuell wenig attraktiven Ländern wie Brasilien, Frankreich oder Spanien. Von anderen Travellern erfahren wir, dass viele Flüge kurzfristig gecancelt werden bzw. sie trotz Aussagen und Dokumenten der deutschen Botschaft bei den zahlreichen Polizeikontrollen mit Problemen konfrontiert werden und z.T. am Weiterfahren gehindert werden. Es wird jedoch vermutet, dass der Luftraum kommende Woche komplett dicht gemacht wird für nicht absehbare Zeit. Kurzerhand nehmen wir eine Flugreservierung vor, machen unseren Camper reisefertig und beschließen, es am nächsten Tag zu wagen, die 1.300 km in zwei Etappen über Cordoba nach Buenos Aires zu fahren – trotz Ausgangssperre und der Tatsache, dass wir noch keine 14 Tage im Land sind. Ein bißchen fühlen wir uns so, als würden wir morgen versuchen, mit einem Heißluftballon aus der DDR auszureisen.

Woche 29 (09.03.20 – 15.03.20)
Magische Tage im Elqui-Tal und ein Grenzübertritt 4.753m über dem Meer

Bis letzte Woche hatte man als Overlander in Südamerika ein ziemlich unbeschwertes Leben – Corona war hier ein „Unter-Ferner-Liefen-Thema“. Seit 13. März ist das nicht mehr der Fall, seitdem überschlagen sich auch hier die Ereignisse. Doch dazu in unserem nächsten „Peek of the Week“ mehr. Diese Woche gibt’s noch einen Einblick in unser unbeschwertes Overlander Leben.
Nach unserem kurzen Surf-Revival in Pichilemu fahren wir relativ zügig in Richtung Nordchile. In den letzten Wochen hatte sich herauskristallisiert, dass wir doch an unserem ursprünglichen Plan, bis nach Kolumbien zu reisen, festhalten wollen. Insofern planen wir, bis spätestens Anfang April in Bolivien zu sein. Über den spektakulären Agua Negra Pass in 4.753m Höhe wollen wir von Chile wieder nach Argentinien einreisen und uns davor noch ein paar Tage im Elqui-Tal von den Fahrtagen erholen und akklimatisieren. Das grüne Tal ist das Zentrum der chilenischen Pisco-Produktion und aufgrund des ungewöhnlich klaren Himmels beheimatet es diverse futuristische Observatorien, in denen man auch als Tourist mithilfe von riesigen Teleskopen den Sternenhimmel beobachten kann. In Vicuña, dem Hauptort des Elqui-Tals, treffen wir auf einem Campingplatz eine deutsch-chilenische Familie aus Berlin, die mit ihren 6-jährigen Zwillingen Simona und Theo ebenfalls im Camper durch Südamerika reist. Nicht nur die Kids freunden sich schnell an und nach einem entspannten Tag am Pool mit anschließendem Asado und einer Sternbeobachtungstour beschließen wir, noch für ein paar Tage mit den Berlinern in das abgeschiedene Cochiguaz-Tal zu fahren, dem außergewöhnlich starke kosmische Strahlungen, spezielle Heilkräfte und Energiewirbel zugeschrieben werden. Außerdem sollen dort schon öfters Ufos gesichtet worden sein… Anschließend wollen wir nochmal zurück an die chilenische Küste, um in einem größeren Ort die Blattfedern unseres Campers für die schlechten Straßen Boliviens überholen zu lassen. Cristina und Felipe, die beide fließend spanisch sprechen, machen für uns eine Werkstatt ausfindig und vereinbaren einen Termin, was eine ungeheure Erleichterung und Zeitersparnis für uns bedeutet. Davor genießen wir zwei gechillte Tage auf einem der malerischsten Campingplätze unserer bisherigen Reise. Wir spannen unsere Hängematte quer über den kleinen Fluß, lassen uns den Fluß heruntertreiben, erfrischen uns im aufgestauten Becken, grillen, trinken bis spätnachts bei Vollmond Pisco, den wir auf dem Hinweg bei einem Artesenal Pisco-Tasting erstanden haben und philosophieren über mögliche andere Lebensformen. Schweren Herzens nehmen wir abends Abschied und fahren nach Coquimbo, wo wir an einer Tankstelle nächtigen und unseren Camper am nächsten Morgen in den staubigen Hinterhof einer Werkstatt bringen, die sich auf Blattfedern spezialisiert zu haben scheint. Nach unseren letzten Werkstatt-Erfahrungen besteht Peter darauf, bei der Reparatur anwesend zu sein. Ich ziehe mit den Kindern los, um Bargeld zu organisieren und wir schlagen die Zeit in einem Einkaufszentrum tot, da für diesen Tag in Chile landesweit wieder größere Proteste vorhergesagt waren.Mit je zwei zusätzlichen Blattfedern und einem völlig anderen Fahrgefühl nehmen wir am nächsten Tag den wenig befahrenen Agua Negra Pass in Angriff. Wir reisen aus Chile aus und übernachten in 3.200m Höhe an einem von einer grandiosen Bergkulisse umgebenen See im Niemandsland zwischen Chile und Argentinien. Da wir uns innerhalb kürzester Zeit von Meeresniveau auf eine doch recht beachtliche Höhe begeben haben, monitoren wir unsere Sauerstoffsättigung sehr genau mit einem Pulsoxymeter. Wir sind alle im grünen Bereich, Peter und ich schlafen zwar schlecht, aber den Kindern scheint die Höhe überhaupt nichts auszumachen. So beschließen wir am nächsten Morgen, die restlichen 1.600 Höhenmeter in Angriff zu nehmen. Nach einer recht frischen Nacht knallt die Sonne bald erbarmungslos herunter und nach steilen Stücken müssen wir unserem Bimi ab und zu eine Verschnaufpause mit geöffneter Motorhaube gönnen, um die Kühlflüssigkeit wieder auf Normaltemperatur zu bringen. Ansonsten meistert er die Höhe problemlos. Angesichts der bizarren, aus bunten Gesteinsschichten bestehenden Berglandschaft kommen wir aus dem Staunen, Fotografieren und Filmen gar nicht mehr heraus und müssen uns zwingen, nicht allzu lange Zeit in der Höhe zu verbringen. Am späten Nachmittag passieren wir am 13. März die argentinische Grenzstation, wo wir wieder Internet haben und stellen fest, dass das Corona-Thema in der Zwischenzeit auch die südamerikanischen Staaten mit aller Wucht getroffen hat.

Woche 28 (02.03.20 – 08.03.20)
Pichilemu – Capital Mundial del Surf 

Eine unserer großen Leidenschaften in unserem „Leben vor Kindern“ war das Surfen. Nicht, dass wir jemals besonders gut gewesen wären, aber unsere Urlaubsziele haben wir eigentlich fast immer danach ausgewählt, dass man dort gut surfen kann. Also beispielsweise Sri Lanka, Marokko,  Costa Rica, Mexiko oder Bali. Allerdings ist unsere Leidenschaft fürs Surfen mit einer anderen Leidenschaft kollidiert: der fürs Reisen. So konnten wir uns nicht vorstellen, 2 Wochen an einem Ort zu bleiben, an dem man gut surfen kann, sondern wir waren oft nur 1 bis 3 Tage an einem guten Spot und dann hat es uns weitergezogen, um noch mehr vom Land zu sehen. Oftmals war‘s aber genau dann zu groß, zu verblasen, zu crowded oder komplett flat, was dazu geführt hat, dass wir viel seltener zum Surfen gekommen sind als wir uns das erhofft haben und wir folglich auch nie besonders gut geworden sind. Das ging dann mit einer gewissen Frustration einher. So sind wir beispielsweise vor gut 6 Jahren in Chile nach einer Woche in der Atacamawüste und im Altiplano tausende Kilometer durch eher öde Landschaften gefahren, um in die Surf-Hochburgen Iquique und Arica zu gelangen. Der Surfoutput war aber aus verschiedenen Gründen verschwindend gering und ansonsten boten die Orte wenig. Auch bei unserer ersten Elternzeit an der Atlantikküste in Spanien und Portugal stand das Surfen noch im Vordergrund. Und wieder sind wir viel seltener dazu gekommen als geplant. Das war dann der Zeitpunkt, als bei uns ein Umdenken eingesetzt hat. Ganz an den Nagel hängen wollten wir das Surfen nicht, aber es sollte künftig weniger dominieren. Seitdem haben wir zwar immer ein Surfbrett mit dabei für den Fall, dass wir mehr oder weniger zufällig an einem Spot mit guten Bedingungen vorbeikommen, aber wir lassen uns nicht davon stressen, wenn wir nicht zum Surfen kommen.
So hat es jetzt auch fast ein halbes Jahr gedauert, bis wir unser Surfboard das erste Mal vom Dach geholt haben, in Pichilemu, DER Surfhauptstadt Chiles. Den berühmtesten Spot, Punta de Lobos, haben wir uns nur von oben angeschaut. Aber auch  am Playa Principal, dessen Wellen wir von unserem Campingplatz aus checken konnten, gab‘s brauchbare Wellen. Und unsere Wetsuits im Boardbag sind in der Zwischenzeit auch noch nicht mit dem Board verschmolzen. So sind wir endlich mal wieder ins Wasser gekommen – und haben – welch Wunder – festgestellt, dass wir ziemlich aus der Übung sind und zudem keinerlei Arm- und Rückenmuskulatur mehr haben. Es hat sich trotzdem gut angefühlt, mal wieder im Wasser zu sein und anhand des Muskelkaters am nächsten Tag festzustellen, dass man theoretisch noch Muskeln hätte. Und am Strand zu liegen, Empanadas mit Garnelen zu essen und „Mote con Huesillos“  zu trinken, macht auch fast so viel Spaß wie Surfen 😉

Woche 27 (24.02.20 – 01.03.20)
Die verschwundene Prinzessin – Großeinsatz auf der Sierra Nevada

Seit einem Zwischenstopp beim Burger King auf unserer langen Fahrt nach Norwegen ist sie eine ständige Begleiterin in unserem Camper: eine Playmobilfigur namens „die Prinzessin“. Sie sitzt auf dem Armaturenbrett (bzw. liegt bei Schotterstraßen) und hält die Kinder mit ihrer piepsigen Stimme auf langen Autofahrten bei Laune. Tatsächlich ist sie in der letzten Zeit zu so etwas wie Noras bester Freundin avanciert. Nora mag noch so bockig und zickig uns gegenüber sein – sobald die Prinzessin anfängt mit ihr zu sprechen, wird sie ganz zahm. Insofern hat sie uns schon so manche Autofahrt gerettet. Normalerweise ist die Prinzessin ziemlich eingespannt mit Klavier- und Reitstunden, Hausaufgaben, Schwimm-, Bastel- und Kniggekursen und Verwandtenbesuchen. Seit einiger Zeit erlaubt die Mutter der Prinzessin aber, dass sie Nora ab und zu bei ihren Abenteuern begleitet. So hat sie schon Pinguine gesehen, riesige Gletscher und Vulkane und durfte uns sogar schon auf mehrtägigen Wanderungen begleiten. Erst kürzlich wieder, bei unserer 2-tägigen Wanderung mit Zelt zur Sierra Nevada im Conguillio Nationalpark in Chile. 
Beim Aufstieg schläft sie friedlich in Noras Rucksack und verpasst auf diese Weise die farbenprächtige, abwechslungsreiche Landschaft. Während in dem dichten Wald anfangs noch riesige Südbuchen, Bambus und gelbe Blumen dominieren, setzen sich später mehr und mehr die beeindruckenden, immergrünen Araukarien durch, mit von Flechten bewachsenen Stämmen, die an die Beine von Dinosauriern erinnern. Dazwischen erhascht man immer öfter Blicke auf die türkisfarbene Laguna Conguillio, über der der 3.125m hohe Vulkan Llaima drohnt, mit roter Spitze und einigen Schneefeldern. Er gilt als einer der aktivsten Vulkane in Südamerika und ist 2009 das letzte Mal ausgebrochen. 
Auf der Sierra Nevada angekommen, bauen wir unter ein paar Araukarien auf einem von der Sonne gewärmten Lavafeld unser Zelt auf. Die Prinzessin soll erstmal weiterschlafen, findet Nora und verfrachtet sie in ihren Schlafsack, die Hülle einer Isomatte. Mit Wasser von einem Wasserfall, der von einer mächtigen schwarzen Felswand herunterstürzt, kochen wir unsere Nudeln. Zum Abendessen wird die Prinzessin geweckt und nachdem sie nach 3 Nudeln satt ist, von Nora in einen gemütlichen Sessel gesetzt, den Tragegurt unseren 95l-Rucksackes. Was danach geschieht, können wir später nicht mehr genau nachvollziehen.
Um den von hier oben wirklich spektakulären Sonnenuntergang anzusehen, begeben wir uns mit heißem Tee und unseren Voited-Decken zum nahen Mirador. Als wir zurück zum Zelt gehen, kommen die ersten Sterne zum Vorschein, der Mond ist nur eine ganz schmale Sichel. Bereits kurze Zeit später scheint der Himmel vor Sternen zu explodieren und ich versuche, mit dem mittlerweile fast leeren Akku unserer Kamera noch ein paar Bilder mit Langzeitbelichtung hinzubekommen. Da höre ich Nora mit alarmierter, fast panischer Stimme aus dem Zelt heraus fragen: „Wo ist die Prinzessin?“. Auf Peters „ich weiß es nicht“ bricht sie in verzweifeltes Schluchzen aus. Wir versuchen, ihr Verschwinden zu rekonstruieren und stellen innerhalb kürzester Zeit einen Suchtrupp zusammen. Peter stellt unser vollgestopftes Zweimannzelt auf den Kopf, in dem sich mittlerweile der Rucksack befindet, auf dessen Gurt sie zuletzt gesehen wurde. Wir ziehen in Betracht, dass sie vom Gurt abgestürzt ist, als wir den Rucksack ins Zelt getragen haben – und dass sie anschließend von der losen Lava begraben wurde. Ich begebe mich mit Stirnlampe draußen auf die Suche und pfüge das Lavafeld vor unserem Zelt um. Jedoch keine Spur der Prinzessin. Ich gehe den Weg ab bis zum Donnerbalken, für den Fall, dass die Prinzessin mitgekommen ist, als Nora dort ihr Geschäft erledigt hat. Ebenfalls erfolglos. Wir versprechen Nora, die Suche bei Tageslicht fortzusetzen. Unter Weinkrämpfen und der wohl mittlerweile auch durch die Müdigkeit bedingten recht drastischen Aussage „Ohne die Prinzessin kann ich nicht leben“ schläft sie ein. Peter stellt sich den Wecker, um den Sonnenaufgang nicht zu verpassen. Kurze Zeit später wird auch Nora wach. „Wir müssen die Prinzessin suchen“ sind ihre ersten Worte. Wir pflügen draußen erneut alles um und gehen alle Wege ab. Nichts.
Ich erinnere mich dumpf, dass Nora gestern Abend erwähnt hatte, die Prinzessin müsse wieder schlafen, nachdem wir mit dem Essen fertig waren, habe aber keine Ahnung, wo sie schlafen sollte. Während Peter Porridge und Wasser für heiße Schokolade und Kaffee kocht, packe ich die Sachen im Zelt zusammen, in der Hoffnung, dabei die Prinzessin zu finden. Plötzlich ein überglücklicher Schrei: „Die Prinzessin!“ Sie hatte die Nacht friedlich in der Brotzeitbox geschlafen, in der wir unser Besteck, Feuerzeug, Teebeutel etc. aufbewahren. Gott sei Dank. Der Abstieg und weitere lange Autofahrten sind gerettet.

Woche 26 (17.02.20 – 23.02.20)
Vulkane, heiße Quellen und Huskies 

Seitdem wir in Ushuaia eine kurze Runde mit Schlittenhunden gedreht hatten, steht für Nora fest, dass sie später Huskyzüchterin und -trainerin werden will. Jakob möchte Husky werden. Insofern können wir es uns nicht entgehen lassen, der Huskyfarm Aurora Austral Patagonia Husky nahe dem chilenischen Villarica einen Besuch abzustatten. Zumal sie sich unter deutscher Leitung befindet, was die Kommunikation v.a. für die Kinder natürlich sehr erleichtert.
Wir lassen das argentinische Seengebiet schnell hinter uns. Die Landschaft dort ist für uns recht langweilig, erinnert sie uns doch stark an zuhause bzw. an die Schweiz. Auch um die für ihre Schokolade berühmte Stadt Bariloche machen wir einen Bogen – uns ist das Risiko, dass einem der Camper dort aufgebrochen wird, zu groß. Doch kurz vor dem Pass nach Chile haut uns die Landschaft wieder völlig von den Socken: Mit einem Schlag wird es wieder viel trockener und karger und am Horizont taucht der markante, 3.800m hohe Vulkan Lanin auf. Die Piste dorthin ist gesäumt von Araukarien – sattgrünen, pittoresken Baumriesen, die seit über 180 Millionen Jahren auf unserem Planeten existieren. Wir campen am Fuße des Vulkans und wandern am nächsten Tag mit grandiosen Ausblicken über die Lavafelder. Anschließend meistern wir den Grenzübergang dank Peters Charmeoffensive gegenüber der Zollbeamtin ohne große Lebensmittelverluste. In Curarrehue, einem Ort, in dem 80% der Bevölkerung dem Mapuche-Volk angehören, essen wir auf einem Markt eine Pizza mit Bambus, Früchten des Araukarienbaums und speziellen Mapuche-Gewürzen und genießen es, seit langer Zeit mal wieder sogar abends noch laue Temperaturen zu haben. Am nächsten Tag gönnen wir uns trotz sommerlichem Wetter einen Besuch in den hier zahlreichen natürlichen Thermalbädern – primär, um mal wieder richtig sauber zu werden. Anschließend treffen wir unsere österreichischen Freunde Dagmar und Raimund wieder, mit denen wir Weihnachen gefeiert hatten. In Pukon, dem chilenischen Pendant zu Riva, verbringen wir mit ihnen einen gechillten Tag am Campingplatzpool und grillen abends groß auf. Dann trennen sich unsere Wege auch schon wieder. Wir stehen noch 2 Tage wild am Seestrand von Villarica mit Ausblick auf den gleichnamigen Vulkan, zusammen mit chilenischen Travellern in stylischen alten VW-Bussen. Nora und Jakob freunden sich mit Luna, einem 4-jährigen Mädel aus Santiago an und toben mit ihr bis spätabends draußen rum.
Und dann ist er da, der große Tag. Nora und Jakob erfahren davon erst, als wir abends auf das Grundstück der Huskyfarm fahren, auf dem wir übernachten können. Beim Lagerfeuer bekommen wir schon mal einen ersten Eindruck davon, wie es sich anhört, wenn über 50 Hunde gleichzeitig bellen und heulen. Am nächsten Tag erfahren wir, dass es sich dabei um ein Ritual der Huskies handelt. Jeweils zum Sonnenauf- und -untergang wird auf diese Weise das Rudel zusammengetrommelt. Konrad, ein ehemaliger Kampfjetpilot aus Bad Tölz, hat sich mit der Huskyfarm vor 14 Jahren einen Kindheitstraum verwirklicht. Nach einem ausführlichen Kennenlernen der Hunde und vielen Infos zu Rassen, Züchtung, Haltung, Training und Rennen werden 8 der Energiebündel vor den Sommer-Zugwagen gespannt und weitere 8 werden in einen Hundeanhänger verfrachtet. Wir bekommen Helme und Schutzbrillen und dann geht es für Nora, Jakob und mich in halsbrecherischem Tempo los über grobe Schotterpisten und halb zerfallene Holzbrücken, während sich Konrad ordentlich in die Kurven lehnt, damit das Gespann in den Kurven nicht umkippt. Inga, Konrads Lebensgefährtin, fährt mit dem Hundeanhänger und Peter im Defender voraus und informiert Konrad per Walkie-Talkie über mögliche Gefahren – andere Hunde, Hühner oder Schweine, die den Weg kreuzen. Nach 5km wird ausgetauscht: die Hunde, ein Reifen wegen einem geschrotteten Radlager und Peter gegen mich. Die Rückfahrt ist noch rasanter, da nun 2 noch schnellere Schlittenhunde zum Einsatz kommen. Nora, alleine vorne in der Poleposition wird ordentlich durchgeschüttelt und bleibt tapfer, als ihr ein großer Stein an die Hand geschleudert wird. Zurück an der Farm dürfen Nora und Jakob mithelfen, die Hunde in ihre jeweiligen Gehege zurückzubringen. Als wir dann bei Kaffee, Saft und Keksen Fotobücher von 2-wöchigen Husky-Winterexpeditionen durch die Anden anschauen, steht für Nora fest, dass sie das auch mal machen möchte.

Woche 25 (10.02.20 – 16.02.20)
Halbzeit on the road – eine Zwischenbilanz

Wir sind am 6. September mit unserem Camper in Montevideo losgefahren und Ende Juli geht‘s für uns zurück in die Heimat – somit starten wir gerade in die zweite Hälfte unseres „adventures of a lifetime“. Zeit für eine kleine Zwischenbilanz.
In den unglaublich abwechslungsreichen letzten 163 Tagen haben wir:

  • 3 Länder bereist und dabei 7x die Landesgrenze überquert
  • Knapp 15.000 Kilometer zurückgelegt
  • 68x beim Tankwart „Euro Diesel completo“ geordert
  • 76.567 „Baden“, „Baches“ und „Lombadas“ (Spurrinnen, Schlaglöcher, Bremshügel) über- bzw. umfahren
  • An 91 unterschiedlichen Orten übernachtet
  • 65 Packungen Haferflocken verdrückt
  • 80x unser Klo geleert 
  • 3.500 Liter Frischwasser in unseren Camper gefüllt
  • 1 Fernsehinterview gegeben
  • 9.421 Guanacos, 4.213 Pinguine, 534 Nandus, 247 Seeelefanten und -löwen, 68 Nasenbären, 32 Wasserschweine, 9 Orcas, 8 Kaimane, 7 Wale, 1 Puma, 1 Anakonda und 1 Korallenotter gesehen
  • 370 GB Foto- und Filmmaterial produziert 
  • 83 Polizeikontrollen ohne Stress passiert
  • 27x die gleiche Folge „Bibi & Tina“ gehört
  • 2x die Aufhängung unserer Kabine schweißen lassen
  • 0 platte Reifen gehabt
  • 0x krank gewesen
  • 0x in einer brenzligen Situation gewesen
  • 0x den Komfort einer Wohnung vermisst 
  • Ganz oft über die faszinierende, abwechslungsreiche Landschaft gestaunt
  • Zu häufig festgestellt, dass unser Camper trotz 4×4 nicht allzu geländetauglich ist
  • Zu wenig Sport gemacht
  • Immer wieder festgestellt, dass man zuhause viel zu viele Sachen hat, die man nicht braucht
  • Viel zu selten unsere Sommerklamotten genutzt
  • Uns jeden Tag über die strahlenden Gesichter unserer Kinder gefreut
  • Uns oft gewünscht, besser Spanisch zu sprechen
  • Diverse Streits ausgefochten
  • Manchmal darüber nachgedacht, wie es wäre, einfach immer weiter zu reisen
  • Unglaublich viele nette, inspirierende, interessierte und hilfsbereite Menschen kennengelernt
  • Unzählige Male wahnsinnig glücklich und dankbar gewesen

Wir sind gespannt, was die zweite Halbzeit für uns bereit hält.

Woche 24 (03.02.20 – 09.02.20)
Die Carretera Austral – wirklich eine Traumstraße?

Für viele gilt die Carretera Austral als die Traumstraße schlechthin. Die rund 1350 km lange Straße, deren Bau unter Pinochet begonnen wurde, ist in weiten Teilen nicht asphaltiert und windet sich durch abwechslungsreiche Landschaften im wenig erschlossenen Süden von Chile. Im Winter wird sie kaum befahren, im kurzen patagonischen Sommer tummeln sich dort zahlreiche Chilenen und ausländische Touristen – in Autos, auf Fahrrädern, Motorrädern und trampend. Unsere Erwartungen sind hoch – und werden enttäuscht.
Mag sein, dass das daran liegt, dass wir sie nicht komplett fahren. Oder keine Abstecher auf zumeist noch schlechtere Straßen machen, da wir bei den Streckenabschnitten, bei denen sich Schlagloch an Schlagloch reiht, sowieso schon ständig damit rechnen, dass wir unsere Kabine verlieren oder unser Rahmen bricht. Am Wetter liegt‘s zumindest nicht, wir haben auch ein paar sonnige Tage, was in der Gegend oftmals nicht der Fall ist.
Ja, es ist wohl einzigartig, dass man so viele unterschiedliche Landschaftsformen auf einem vergleichsweise kleinen Gebiet hat. Und ja, die Landschaften sind zum Teil auch schön. Aber irgendwie flashen sie uns nicht. In weiten Teilen fährt man durch bewaldete Hügel und an eher düster wirkenden Seen vorbei. Ab und zu sieht man mal ein paar schneebedeckte Bergspitzen und Gletscher. Ja, es gibt auch türkisfarbene Flüsse und Seen. Aber da kann der Walchensee in unserer Heimat oder die Soca in Slowenien durchaus mithalten. Fjorde gibt‘s in Norwegen beeindruckendere. Und schöne Wildcampspots zu finden, ist in weiten Teilen auch ein schwieriges Unterfangen. Die Preise für die Campingplätze liegen fast auf europäischem Niveau und auch Lebensmittel und Kraftstoff sind aufgrund der abgeschiedenen Lage deutlich teurer als im Rest des Landes.
Beim Anblick der vielen Radler und Tramper können wir uns nicht entscheiden, welche Art der Fortbewegung wir frustrierender finden: Den ganzen Tag entweder im Regen zu radeln oder bei gutem Wetter von den Autos eingestaubt zu werden oder zusammen mit x anderen Trampern stunden- oder tagelang zu warten, dass man ein Stückchen mitgenommen wird.
Aber in unseren 10 Tagen auf der Careterra Austral haben wir durchaus auch ein paar schöne Erlebnisse:
Wir übernachten in Puerto Guadal auf einem wirklich sehr inspirierenden Campingplatz: Cristian, der eine Zeit lang in Berlin gelebt hat, hat mit Alma Verde einen zu 100% ökologischen Campingplatz mit viel Liebe zum Detail geschaffen. Es gibt Solarduschen und Komposttoiletten, der anfallende Müll wird fast vollständig verwertet und man kann Gemüse aus seinem Garten und deutsches Brot kaufen. Bei Rio Cisnes werden wir von der netten, jungen Familie, die den ebenfalls ökologischen Campingplatz Refugio Rio Cisnes betreibt, zum rustikalen Asado eingeladen und dürfen ein Stück von dem Schaf essen, das kurz davor noch auf dem Campingplatzgelände gegrast hat. Wir können für 4 Tage unsere Sommerklamotten hervorkramen, baden im Fluß, im Fjord und in heißen Quellen und machen eine Wanderung durch einen faszinierenden Regenwald zu einem imposanten Hängegletscher (bei der wir allerdings aufgrund der Menschenmassen jeweils eine halbe Stunde anstehen müssen, um eine Brücke zu überqueren). Und die Landschaften, die wir durchqueren, um zur Carretera Austral hin und wieder weg von ihr zu kommen, gefallen uns tatsächlich richtig gut.

Woche 23 (27.01.20 – 02.02.20)
3-tägige Zelt-Trekkingtour zum Cerro Torre und Fitz Roy

Nach unseren ersten Mehrtagestouren im Torres del Paine Nationalpark haben wir unser Trekkingequipment etwas optimiert: Wir haben uns einen 95l-Rucksack zugelegt, damit die Kraxe wieder ihren ursprünglichen Zweck erfüllen kann. Und einen kleinen Gaskocher, um das Gewicht unserer Essenvorräte zu minimieren. Und so nehmen wir unsere erste 3-tägige Trekkingtour in Angriff.
Von El Chaltén aus, einem kleinen Dorf im argentinischen Teil von Patagonien, das erst 1985 gegründet wurde und das in den Sommermonaten zum Mekka der Trekking- und Klettergemeinde wird, wandern wir bei bestem Wetter los. Die zumindest dem Anschein nach leere Kraxe wirkt wohl zu verführerisch, nach nicht mal vier Kilometern beschließt Jakob, den Rest des Weges getragen werden zu wollen. Zusammen mit den Trinkflaschen, den Essensvorräten für 3 Tage und dem Zelt, die sich in und an der Kraxe befinden, ist das gewichtsmäßig grenzwertig. Zum Basislager des Cerro Torre, dem Campamento Agostini, wo wir unser Zelt aufbauen, sind es aber zum Glück nur 9 km. Anders als im Torres del Paine Nationalpark sind die Zeltplätze hier sehr basic: Außer einem Plumpsklo gibt es keinerlei Einrichtungen. Vom Camp aus erreicht man in wenigen Minuten die Laguna Torre, in der sich die berühmte Felsnadel Cerro Torre und dessen Trabanten spiegeln. Theoretisch, denn es gehört sehr viel Glück dazu, den Cerro Torre nicht wolkenverhangen zu erleben. Wir haben nicht so viel Glück. Und dann fällt Jakob auch noch halb in den See, als er am Rand spielt. Aber es ist zumindest von den Temperaturen her recht mild. Das ändert sich jedoch schlagartig, als die Sonne verschwindet. Aus dem herumliegenden Holz bauen wir uns Sitzgelegenheiten und einen Tisch und kochen dick eingepackt in trübem Flusswasser aus dem Rio Fitz Roy unsere Nudeln. Die Kids finden das alles superspannend und halten Schlafen mal wieder für überbewertet. Die Nacht ist recht zapfig und für mich um kurz vor 6 erstmal vorbei, denn der Sonnenaufgang an der Laguna Torre zählt zum Schönsten, was Patagonien zu bieten hat. Der Himmel ist zwar klar, aber auch jetzt zeigt sich der Cerro Torre nicht in seiner vollen Pracht. Die weiße Spitze lugt jedoch immer mal wieder aus den Wolken hervor und die Spiegelung der ins Morgenrot getauchten Bergkulisse und des Gletschers ist atemberaubend. Durchgefroren, aber glücklich schaffe ich es, mich in unserem Zweimannzelt zwischen die Kinder zu quetschen, ohne sie dabei aufzuwecken. Und so schlafen wir noch bis ca. 9 Uhr. Nach einer mehr nahrhaften als leckeren Mischung aus Haferflocken, Nüssen, Kakao- und Milchpulver brechen wir gegen Mittag auf. Heute tauschen wir, Peter trägt die Kraxe und ich den bis zum Anschlag bepackten 95l-Rucksack. Da Jakob auch heute einen ausgedehnten Mittagsschlaf macht, keine wirkliche Entlastung für Peters geschundenen Rücken. Für die rund 12 km brauchen wir ungefähr 6 Stunden und wir erreichen das Campamento Poincenot bei Nieselregen und starkem Wind. Nach dem Essen zieht es uns recht schnell in unser Zelt, das die Windböen im Vergleich zu anderen Zelten im Camp erstaunlich gut wegsteckt. Wir stellen uns keinen Wecker und schlafen fast 12 Stunden. Als wir aufwachen, lacht die Sonne vom Himmel und später haben wir fast sommerliche Temperaturen. Wir nehmen unseren Kocher mit vor zu einem kleinen Bach, der die Trinkwasserversorgung für das Camp darstellt und genießen zum Frühstück den ungetrübten Ausblick auf den Fitz Roy. In Anbetracht der Zeit beschließen wir, dass nur ich das letzte steile Stück (400 hm auf 1km) zur Laguna de los Tres am Fuße des Fitz Roy hochwandere. Die Kids genießen es, währenddessen am Fluß und im Camp herumzutollen und freunden sich mit den Rangern und einer Gruppe von Kletterern aus Bulgarien an. Den 9 km-Abstieg meistert Jakob alleine und aufgrund der vernichteten Essensvorräte trägt sich auch der 95l-Rucksack deutlich angenehmer. Trotzdem sind wir alle ziemlich platt, als wir in El Chaltén ankommen und brauchen jetzt erstmal ein paar Tage Wanderpause.
Fazit: Wir haben festgestellt, dass eine länger als 3 Tage dauernde Zelt-Trekkingtour für uns gewichtsmäßig nicht machbar wäre, vorausgesetzt wir schleppen alles an Gepäck und zeitweise auch noch ein Kind. Aber wir sind sehr dankbar, dass wir dieses Abenteuer zusammen als Familie erleben konnten und dass unseren Kindern mehrtägige Wanderungen so viel Spaß machen.

Woche 22 (20.01.20 – 26.01.20)
Vanlife statt Kindergarten – Pros und Cons

Während wir unterwegs sind, verpasst unsere Tochter ihr vorletztes Jahr im Kindergarten und unser Sohn sein erstes – aus unserer Sicht der ideale Zeitpunkt für eine solche Reise, denn so wird unsere Tochter nicht direkt nach unserer Rückkehr mit dem Ernst des Lebens konfrontiert und unser Sohn sollte alt genug sein, um zumindest ein paar Erinnerungen an diese Zeit zu haben. Neben vielen Vorteilen sehen wir aber auch diverse Nachteile darin, dass unsere Kinder ein Jahr nicht zuhause in ihrer gewohnten Umgebung verbringen.
Seitdem wir unterwegs sind, haben sie eigentlich so gut wie keinen Kontakt zu Gleichaltrigen. Die Vorstellung, dass Kinder unabhängig von der Sprache gleich miteinander losspielen, wenn sie sich begegnen, hat sich bei unseren Kindern nicht bestätigt. Entweder ist die Sprachbarriere doch größer als gedacht oder es liegt in der Natur unserer Kinder, dass sie erst eine Zeit brauchen, um mit anderen warm zu werden. In Sachen soziale Kompetenz werden sie ihren Altersgenossen also sicherlich hinterherhinken, nicht zuletzt auch dadurch bedingt, dass ihre Eltern in dem Jahr die einzigen Autoritätspersonen sind, mit denen sie zu tun haben. Und auch beim Thema Selbstständigkeit werden unsere Kinder nicht so weit sein wie andere. Während viele Vorschulkinder schon gefestigte Freundschaften haben und eigenständig Aktivitäten in Vereinen nachgehen bzw. Schwimm-, Ski- und sonstige Kurse machen, wird das bei unserer Tochter nicht der Fall sein. Durch die räumliche Nähe in unserem Camper wird es ihr höchstwahrscheinlich auch schwer fallen, nach diesem Jahr alleine im eigenen Zimmer einzuschlafen. Unser Sohn wird einige Fähigkeiten, wie Ski- oder Fahrradfahren, erst später erwerben, auch, wenn er vor unserer Reise schon erste Versuche gestartet hat. Zudem zeigt er mit seinen fast 3,5 Jahren aktuell keinerlei Ambitionen, sein Geschäft auf dem Klo zu erledigen. Mit der Gruppendynamik im Kindergarten wäre das vermutlich anders.
Es wird ihnen aber später wohl leichter fallen, sich auf neue, veränderte Situationen und Umgebungen einzustellen und damit umzugehen. Dadurch, dass wir nur einen begrenzten Wassertank und oftmals keine Lebensmittelvorräte im Überfluss haben, glauben wir, dass sie einen verantwortungsvollen Umgang mit knappen Ressourcen lernen. Die Tatsache, dass wir nur wenig Spielzeug dabei haben, lässt sie sehr kreativ werden. Das wenige Spielzeug wird häufig multifunktional eingesetzt und Alltagsgegenstände, Fundstücke aus der Natur oder herumliegender Müll ersetzen klassisches Spielzeug. So werden Jenga-Steine zu Flugzeugen, Schlafsack-Hüllen zu Puppenschlafsäcken und Muscheln zu Betten für Schrauben. Unsere Kinder lernen, dass fremde Kulturen nichts sind, wovor man sich fürchten muss. Sie zeigen großes Interesse an unterschiedlichen Sprachen und an geographischen Regionen. Sie finden Steine, die wie Südamerika oder Afrika geformt sind, wissen, welche Länder sich wo auf der Karte befinden, kennen die Flaggen vieler Länder und werfen mit Begriffen wir „Carretera Austral“, „Ruta 3“, „Fitz Roy“, „Ushuaia“, „Guanakos“, „Andencondor“ etc. um sich, als wären es Charaktere einer Zeichentrickserie. Sie lernen Phänomene wie das Kalben von Gletschern und die Versteinerung von Bäumen hautnah kennen und bekommen mit, dass die Falkland-Inseln aus Sicht der Argentinier eigentlich zu Argentinien gehören sollten. Und sie lernen, Abschied zu nehmen – sei es, von Personen, mit denen wir einige Zeit verbracht haben, von gefundenen Schätzen aus der Natur, die wir mangels Platz nicht dauerhaft mitnehmen können oder von der Hose, die sie seit mehreren Monaten fast täglich tragen und die nun auch durch Flicken nicht mehr zu retten ist. Zudem scheint das ständige Draußensein ihr Immunsystem zu stärken. In dem knappen halben Jahr, das wir jetzt unterwegs sind, hatten sie noch nicht mal einen Schnupfen. Wobei das natürlich auch daran liegen kann, dass sie deutlich weniger Viren und Bakterien ausgesetzt sind als im Kindergarten. Es ist also auch denkbar, dass sie der übliche Kindergartencocktail aus Viren und Bakterien nach ihrer Rückkehr erstmal ausknocken wird.
Letztlich sind wir überzeugt davon, dass unsere Kinder von unserer Reise profitieren werden. Nicht zuletzt auch dadurch, dass wir durch das ständige Zusammensein als Familie viel enger zusammenwachsen, als das zuhause möglich wäre. Dennoch wird es wahrscheinlich auch für unsere Kinder eine große Herausforderung sein, wieder ins „normale“ Leben zurückzufinden.

Woche 21 (13.01.20 – 19.01.20)
Eine orangene Warnleuchte und noch mehr Gastfreundschaft in Punta Arenas

Momentan ist irgendwie der Wurm drin. Der aufmerksame Blogleser weiß, dass wir länger als gedacht in Punta Arenas, ganz im Süden von Chile, bleiben mussten, weil bei der Reparatur unserer Blattfedern ein Teil kaputt gegangen ist. Nun hängen wir bereits seit über 2 Wochen in Punta Arenas fest. Aber der Reihe nach.
Nach einer recht unbefriedigenden Antwort der Werkstatt am Montag machen sich Peter und die Kinder auf, um die zerbrochene Aufhängung für die Blattfeder selbst zu besorgen. Bei einem Laden für gebrauchte Ersatzteile werden sie tatsächlich fündig. In der Werkstatt angekommen, erfahren sie jedoch, dass das Teil nicht passt. Allerdings hat die Werkstatt in der Zwischenzeit ein passendes gebrauchtes Teil auftreiben können. Wir erfahren, dass wir unseren Pick-Up am nächsten Tag abholen können und sind unendlich erleichtert.
Als Peter am nächsten Tag mit unserem Pick-Up zurückkommt, sehe ich bereits an seinem Gesicht, dass irgendwas nicht stimmt. Und zwar leuchtet nun plötzlich die „Check Engine“-Signalleuchte. In der Werkstatt hatte daraufhin wohl das ganze Team eine Stunde lang versucht, die Ursache dafür herauszufinden – erfolglos. Da das Licht auch nicht ausgeht, nachdem wir eine Runde gefahren sind und den Motor komplett haben abkühlen lassen, bringen wir ihn wieder hin.
Die folgenden Tage tut sich nichts. Wir recherchieren selbst mögliche Ursachen und teilen diese der Werkstatt per WhatsApp mit. Sie wirken einigermaßen bemüht, aber wieviel Zeit sie tatsächlich in die Fehlersuche investieren, wissen wir nicht. Wir schlagen die Zeit tot. Bzw. versuchen, das Beste daraus zu machen. Gehen Eislaufen und dank unseres neuen Freundes Arnoldo schaffen wir‘s jetzt auch, Schwimmen zu gehen. Er gibt Peter als seinen Cousin aus und so dürfen wir mit ins Schwimmbad seines Sportvereins.
Als Victor, auf dessen Parkplatz wir residieren, mitbekommt, dass wir noch immer auf unser Auto warten, bietet er uns an, mit uns zur Werkstatt zu fahren. Er ist selbst Mechaniker und stellt den Chef der Werkstatt zur Rede. Mit der eher fadenscheinigen Erklärung, unser Auto wäre zu alt für deren Fehlerscanner, bekommen wir unseren Pick-Up zurück, immerhin ohne, dass uns die Fehlersuche in Rechnung gestellt wird. Victor nimmt uns mit zu seinem ehemaligen Kollegen, der inzwischen eine eigene Werkstatt hat. Aber auch er kann keinen Fehler finden und möchte kein Geld von uns. Victor bestellt einen weiteren Mechaniker, Hernan, zum Parkplatz, der nach längerer Suche feststellt, dass ein Sensor vom Turbolader abgerissen ist. Er vermutet, dass das die erste Werkstatt beim Filterwechsel verbockt hat und bietet uns an, das Teil zu besorgen. Leider stellt sich heraus, dass es in Punta Arenas weder neu, noch gebraucht aufzutreiben ist. Er klebt das Ding, aber die Warnleuchte leuchtet noch immer. Hernan erzählt uns von einem befreundeten LKW-Fahrer, der trotz Warnleuchte 300.000 km ohne Probleme gefahren ist. Wir beschließen, das auch zu versuchen und einen Smiley-Aufkleber auf die Leuchte zu kleben.
Es ist inzwischen wieder Freitag. Victor lädt uns zum Asado auf das Grundstück seines Vaters ein, das sich außerhalb der Stadt befindet. Der Weg dorthin ist recht abenteuerlich. Wir können es nicht fassen, dass Victor und seine Freunde diesen Weg mit ihren bis zu 10m langen und 12t schweren Wohnmobilen ohne Allrad fahren. Es knackt – unsere Vermutung, dass die Befestigung der Kabine, die wir vor einigen Wochen bereits hatten schweißen lassen, wieder einen Riß bekommen hat, bestätigt sich. Trotzdem verbringen wir einen netten Abend mit Victor, seinen Freunden und ganz viel Fleisch. Peter spielt „Skifoan“ auf der Gitarre und begeistert die Truppe mit seinen Cuba Libre-Mischungen.
Nach einem kurzen Zwischenstopp beim Schweißer, der auch am Samstag arbeitet, fahren wir am nächsten Tag aus der Stadt raus. Weit kommen wir nicht. Wir stellen fest, dass der Motor nur noch wenig Leistung bringt und kaum zieht – und drehen wieder um. Wir recherchieren und finden heraus, dass man das Teil über Mercado Libre, das südamerikanische Pendant zu Amazon, bestellen kann. Der Kollege von Hernans Sohn hat einen Account und bestellt es für uns. Hernan bietet uns an, in der Zwischenzeit eine komplette Motorrevision durchzuführen, um auszuschließen, dass doch eine andere Ursache hinter dem Warnlicht steckt. Er kann nichts finden – und weigert sich, Geld von uns anzunehmen. Immerhin verrät er uns, dass er gerne Whiskey trinkt und freut sich über die Flasche, die wir für ihn besorgen.
Und so sitzen wir nun noch immer in Punta Arenas, warten darauf, dass das Teil ankommt und dass das Warnlicht damit dann endlich verschwindet. Unsere Stimmung ist recht ambivalent. Wir hegen mittlerweile einen ziemlichen Groll gegenüber dieser Stadt, empfinden die Zeit als verschwendete Zeit und können es kaum erwarten, endlich weiterzufahren. Obwohl uns natürlich bewusst ist, dass auch negative Erlebnisse zu einer langen Reise dazugehören. Und dass alles noch viel schlimmer sein könnte. Andererseits ist es für uns auch eine unglaublich wertvolle Erfahrung, in engeren Kontakt mit Einheimischen zu treten und zu erleben, wie gastfreundlich und hilfsbereit die Menschen hier sind. Eine Erfahrung, die unser eigenes Verhalten gegenüber Fremden in Zukunft mit Sicherheit prägen wird.

Woche 21 (06.01.20 – 12.01.20)
Unwirtliches Klima und unglaublich herzliche Menschen – Zwangspause in Punta Arenas

Die Jahresdurchschnittstemperatur in Punta Arenas, der südlichsten Stadt Chiles, liegt bei 6 Grad. Auch jetzt im Hochsommer klettert das Thermometer oft nicht über 10 Grad und mit dem Wind und Regen fühlt es sich noch kälter an. 
Und hier sitzen wir nun seit einer Woche. Nicht ganz freiwillig. Punta Arenas ist die letzte große Stadt vor der berühmt-berüchtigten „Carretera Austral“, der rund 1350 km langen Traumstraße, die durch den einsamen, landschaftlich wohl sehr beeindruckenden Süden von Chile führt – größtenteils nicht asphaltiert. Dort eine Panne zu haben, wäre äußerst ungünstig. Und deshalb lassen wir unseren Camper hier generalüberholen, nach bisher 11.000 km „on the road“.
Obwohl unsere Reifengröße eher selten ist, bekommen wir in der „Zona Franca“, einer Freihandelszone, innerhalb eines halben Tages neue Allterrain-Schlappen für unseren Camper „Bimi“. Dort spricht uns dann auch Victor an. Er habe einen großen Parkplatz in der Stadt mit Stromanschluss, Wasser und Wifi. Witzigerweise hatten wir bereits in der iOverlander-App von diesem Platz gelesen und sowieso vorgehabt, dorthin zu fahren, da es in Punta Arenas keinerlei Campingplätze gibt.
Für den übernächsten Tag kriegen wir einen Termin in einer großen, sehr professionell wirkenden Werkstatt für einen Ölwechsel und einen Austausch der Luft- und Ölfilter sowie einen Check von Dämpfung und Bremsen. Allerdings ist das mit Kabine nicht möglich. Also setzen wir unseren „Bi“ (Bimobil-Wohnkabine) vom „Mi“ (Mitsubishi Pick-Up) ab und wohnen seitdem in unserem Tiny Home. Einmal mehr merken wir, dass wir das richtige Fahrzeug für diese Reise gewählt haben, auch, wenn wir bei jeder Schotterpiste, jedem Schlagloch und jeder Bodenwelle das Thema „Rahmenbruch“ im Hinterkopf haben.
Wir erfahren, dass die Stoßdämpfer und ein Teil der Blattfedern ausgetauscht werden sollten. Der nächste freie Termin wäre allerdings erst in über einer Woche, allerdings spränge eventuell ein Kunde ab, der am nächsten Tag einen Termin hat. Also fährt Peter am nächsten Tag in aller Früh in die Werkstatt, während die Kids und ich noch in der Kabine schlafen. Leider kommt der Kunde doch und Peter klappert diverse andere Werkstätten ab. Es ist bereits Donnerstag und wir befürchten, dass die Reparatur vor dem Wochenende nicht mehr klappt. Peter findet eine Werkstatt, die unseren Bimi mit großer Wahrscheinlichkeit bis Freitag Abend fertig bekommt, wenn wir die Ersatzteile selbst besorgen. Wir haben Glück, im einen Fahrzeugteilladen gibt‘s die vorderen Stoßdämpfer, der andere hat die hinteren vorrätig. 
Der Freitag ist komplett verregnet, die Kids und ich setzen den ganzen Tag keinen Fuß vor die Kabine. Peter läuft am Vormittag zur Werkstatt, um den Fortschritt zu checken. Es sieht gut aus. Nachmittags bekommt er eine Nachricht von der Werkstatt, dass wir unseren Bimi um 6 Uhr abholen können. Uns fällt ein Stein vom Herzen: Wir können morgen weiterfahren. Noch 2 verregnete Tage in einer Stadt, in der man nicht allzu viel unternehmen kann, sind keine allzu prickelnde Vorstellung. Um 6 Uhr schickt Peter dann allerdings eine Nachricht aus der Werkstatt, dass beim Ausbau der Blattfedern ein Teil gebrochen ist und wir unseren Pick-Up nicht vor Montag Abend bekommen. Aaaargh!!!
Nach anfänglicher Frustration denken wir uns, dass ja alles noch viel unangenehmer sein könnte. Wenn die Blattfedern irgendwo im Nichts kaputt gegangen wären. Oder wir uns ein Ersatzteil aus Europa schicken lassen müssten. Unser Stellplatz ist zwar nicht schön, aber zumindest steht unsere Kabine dort gut und recht zentral. Wir können dank WLAN den neuesten Tatort anschauen und in unserer Kabine sogar duschen. Am nächsten Tag regnet es zum Glück auch nicht mehr und wir pilgern quer durch die Stadt zum städtischen Schwimmbad. Dort erfahren wir, dass öffentliches Schwimmen nur an wenigen Stunden in der Woche möglich ist und man zudem Bademützen bräuchte. Hmpf.
Wir entdecken ein Plakat von einem großen „Cerveza-Fest“ mit Kinderprogramm, das dieses Wochenende stattfindet und pilgern dorthin. Genau das richtige gegen den wiederaufkeimenden Frust. Als wir dort ankommen, erfahren wir, dass es erst in 3 Stunden losgeht. Wir geben auf und beschließen, uns was zu Essen zu holen und dann in unser „Zuhause“ zurückzukehren. Gerade, als wir anfangen wollen, unser Essen bei wieder recht ungemütlichem Wetter vor dem Imbiss zu verzehren, werden wir von Arnoldo angesprochen. Er wohne gleich ums Eck, habe auch Kinder und ob wir unser Essen nicht bei ihm essen wollen, das wäre gemütlicher als hier in der Kälte. Ziemlich perplex sagen wir zu und verbringen einen äußerst netten Nachmittag mit ihm und seiner Frau Patricia. Zum Abschied schenken sie uns eine Flasche Wein, stopfen den Kindern die Jackentaschen mit Ostereiern voll und laden uns für den nächsten Tag zum Asado ein. Wir sind völlig überwältigt von der Gastfreundschaft, die uns, völlig Fremden, entgegengebracht wird. Wir grillen zusammen und genießen es, in einem Mix aus Spanisch und Englisch Gespräche mit Einheimischen zu führen, die über das übliche „Wokommtihrherundwofahrtihrhin“ hinausgehen. Zum Beispiel über die Unruhen der letzten Monate, von denen im Stadtzentrum deutliche Spuren zeugen, obwohl sie wohl weit weniger heftig waren als in Santiago.
Letztlich hatten wir also Glück, dass unser Auto vor dem Wochenende nicht mehr fertig geworden ist. Denn die besten Reiseerlebnisse hängen oft weniger mit den Orten, die man bereist, zusammen, als mit zufälligen Begebenheiten und den Menschen, die man unterwegs trifft.

Woche 20 (30.12.19 – 05.01.20)
Fressgelage vs. Hungertage – die Herausforderungen des Länderhoppings

Momentan wechseln wir die Länder ungefähr so oft wie unsere Unterhosen. Naja, ganz so schlimm ist es noch nicht. Aber wenn man die Highlights von Patagonien sehen möchte, muss man zwangsläufig des öfteren zwischen Argentinien und Chile hin- und herwechseln. Und das ist leider nicht ganz so unkompliziert wie zwischen Deutschland und Österreich. Gerade Chile ist äußerst strikt, was die Einfuhr von Lebensmitteln und Gegenständen aus organischen Stoffen angeht, da man befürchtet, dass auf diese Weise Krankheiten eingeschleppt werden. Ein No-Go sind frisches Obst und Gemüse sowie Milch- und sonstige tierische Produkte wie Eier oder Honig. Kritisch sind zum Teil aber auch Gegenstände aus Holz – wir haben schon von Dramen gehört, als Kinder ihre geliebten, selbstgeschnitzten Wanderstöcke aus Holz abgeben mussten. Andere Traveller haben zwei Stunden mit den Grenzbeamten verhandelt, bis sie ihren Adventskranz dann doch einführen durften. Und wir haben von einem Fall gelesen, dass Traveller mit ihrem Van nicht einreisen konnten, weil dessen Inneneinrichtung aus unbehandeltem Holz bestand. Da wir nur wenig so sehr hassen, wie Lebensmittel wegzuwerfen, stellt ein solcher Grenzübertritt immer eine gewisse Herausforderung für uns da. Nach knapp 2 Wochen im argentinischen Teil von Feuerland wollen wir nun wieder auf die chilenische Seite. Um nicht die gleiche Strecke zu fahren wie beim Hinweg nach Ushuaia, beschließen wir, den verlockend klingenden, kaum frequentierten Grenzübergang „Bellavista“ zu nehmen. Nach 70 km Schotterpiste taucht mitten im Nichts das kleine argentinische Grenzgebäude auf. Wir parken unmittelbar davor und essen alles, von dem wir befürchten, dass es uns abgenommen werden könnte. Nur ein Stück Butter, eine halbe Knolle Knoblauch, ein fast volles Glas Honig und geriebenen Parmesan bringen wir nicht runter. Auch der letzte Rest Milch geht nicht mehr rein. Die Grenzbeamten sind äußert freundlich und scherzen mit den Kids. Sie scheinen sich zu freuen, dass heute überhaupt jemand die Grenze überquert. Nach ein paar Kilometern Fahrt durchs Niemandsland werden wir auch von den chilenischen Beamten freundlich empfangen, obwohl wir sie wohl gerade in ihrer Mittagspause gestört haben. Das Formular, das bei jeder Einreise nach Chile ausgefüllt werden muss, kennen wir inzwischen. Wichtig ist, dass man angibt, dass man Produkte tierischer und pflanzlicher Herkunft mit sich führt. Tut man das nicht und sie finden was, drohen empfindliche Strafen. Bei unserem ersten Grenzübertritt nach Chile musste bei der recht oberflächlichen Untersuchung unseres Campers lediglich ein Stück Ingwer daran glauben. Dieser Grenzbeamte scheint sich aber so darüber zu freuen, mal wieder was arbeiten zu dürfen, dass er die Sache hochmotiviert angeht. Wir befürchten schon, dass er unseren vorsorglich mal versteckten Vorrat an diversen Körnern, die wir fürs Müsli und Brotbacken mit uns führen, entdeckt und dass er uns die gesammelten Schätze der Kinder – Muscheln, Federn, Holzstücke etc. – abnimmt. Beim Blick auf das Chaos auf der Rücksitzbank scheint seine Motivation dann aber doch zu schwinden. Und so werden wir nur unseren Honig los. Nach weiteren rund 100 Kilometern auf der Schotterpiste soll der nächste Ort kommen – wir nehmen an, dass es dort zumindest einen kleinen Laden gibt, um sich mit dem Nötigsten zu versorgen. Dem ist aber nicht so. Und so gibt‘s zum Abendessen Nudeln mit pürierten Tomaten – dank der Nachlässigkeit des Grenzbeamten aber immerhin gepimpt mit Knoblauch, einem Schuß Milch und Parmesan. Wider Erwarten wird sogar unser Frühstück noch richtig staatlich: Aus Haferflocken, dem Rest Milch und einer Dose Ananas, die wir seit Monaten mit uns herumfahren, zaubern wir leckeren Porridge. Fürs Mittagessen backen wir Brot und freuen uns wie die Schnitzel, als wir ganz unten in unserer Essenskiste eine Salami finden, die wir nun schon zum wiederholten Mal unwissenderweise illegal importiert haben. Den nächsten Ort, Porvenir,  erreichen wir aufgrund der Straßenbeschaffenheit erst abends. Hier gibt es zwar mit Sicherheit Lebensmittelgeschäfte, aber wir beschließen, erstmal den Hafen anzusteuern, um herauszufinden, wann die Fähren über die Magellanstraße nach Punta Arenas fahren. Wir erfahren, dass das Boarding für die nächste Fähre in wenigen Minuten beginnt. Die darauffolgende fährt dann erst in zwei Tagen. Also wird es wieder nichts mit Vorräten auffüllen. Als wir in Punta Arenas ankommen, ist es bereits 9 Uhr. Eventuell gäbe es irgendwo noch einen Laden, der offen hat. Aber wir halten an der nächsten Tankstelle an, kochen Buchstabensuppe und übernachten dort. Nach Muffins von der Tankstelle zum Frühstück steuern wir den nächsten Supermarkt an. Wirklich hungern mussten wir die letzten Tage also nicht. Aber wir können uns nicht daran erinnern, dass wir uns schon jemals davor so richtig auf frisches Obst und Gemüse gefreut haben. Und festzustellen, dass man auch mit wenig Lebensmitteln noch ganz gut über die Runden kommen kann und dass eine Dose Ananas ein richtiges Glücksgefühl auslösen kann, fühlt sich sich auch irgendwie gut an. 

Woche 19 (23.12.19 – 29.12.19)
Lange Weihnachtstage in Feuerland

Sich aufs Wochenende zu freuen, ist eigentlich das einzige, das uns auf unserer Reise abgeht – neben unserer Familie und unseren Freunden. Tatsächlich haben wir das Gefühl für Wochentage schon nach kurzer Zeit „on the road“ verloren. Das Gefühl für Monate und Jahreszeiten ist uns Erwachsenen zwar geblieben, aber für unsere Kinder ist es schwierig, sich vorzustellen, dass zuhause gerade Winter ist und bei uns Sommer, obwohl die Temperaturen hier auch eher winterlich sind. Umso wichtiger ist es uns, dass wir dem Jahr, in dem wir unterwegs sind, eine gewisse Struktur geben, indem wir die Feste mehr oder weniger so feiern wie zuhause auch.
So fahren wir bereits seit geraumer Zeit einen Christbaum mit uns herum und am ersten Advent basteln wir einen Adventskranz aus Meeresschätzen. Einen Adventskalender gibt es dieses Jahr zwar nicht, aber die Nikolausmützen, die sich die Kinder im Supermarkt eingebildet hatten, hängen am Morgen des 6. Dezembers plötzlich gefüllt in unserem Camper – mit „Turrón de Mani“, einer Art türkischer Honig, das hier das Pendant zu Schokonikoläusen darzustellen scheint.
Bevor wir unsere Reise begonnen hatten, war unser Plan ganz grob, das wir um Weihnachten herum in Ushuaia sind, der südlichsten Stadt der Erde, die mit dem Auto erreicht werden kann.
Ohne, dass wir uns besonders beeilt oder extra viel Zeit gelassen hätten, kommen wir tatsächlich einen Tag vor Weihnachten in Ushuaia an. Wir treffen dort Dagmar und Raimund wieder, zwei Salzburger, mit denen wir mittlerweile schon diverse Male eine gute Zeit verbracht haben, und beschließen, Heiligabend zusammen im nahen Nationalpark Tierra del Fuego zu feiern. Vormittags nutzen wir noch das Wifi der Touristeninformation für Videocalls mit unserer Familie, dann geht’s ins Grüne. Der große Ansturm der Einheimischen wird dort erst am ersten Weihnachtsfeiertag erwartet und so finden wir ein idyllisches Plätzchen an einem kleinen Fluss. Peter bereitet den Hauptgang unseres Weihnachtsessens zu, Rinderbraten mit Zuckerschoten an Nudelkuchen, ich schmücke den Christbaum mit Christbaum-Schmuck aus Muscheln und kümmere mich um den Nachtisch: Bratäpfel aus unserem Campingbackofen. Das Wetter ist so gut wie schon lange nicht mehr, weshalb wir die Bescherung und das Weihnachtsessen draußen stattfinden lassen, auch, wenn unsere „Christbaumkerzen“ dann nicht zur Geltung kommen. Große Geschenke gibt’s dieses Jahr nicht. Die Kinder bekommen neue Bastel- und Malsachen, Peter ein Schneidebrett und ein Exemplar vom „Kleinen Prinz“ zum Spanischlernen und ich Wollsocken für meine kalten Füße im Bett. Dagmar und Raimund kriegen von uns ein „Survivalpaket“ mit Micropur, Klopapier, Tütensuppe etc. und wir von ihnen unter anderem eine selbstgebastelte Krippe im Style unseres Adventskranzes. Gegen 9 ist unser Weihnachtsessen beendet – und es ist noch immer taghell. Allerdings ist’s schon etwas frischer und damit Zeit für Glühwein und Punsch. Gegen 11 dämmert es dann und wir lassen Heiligabend mit ziemlich aufgedrehten Kindern am Lagerfeuer ausklingen. Die nächsten Tage verbringen wir mit kleinen und größeren Wanderungen rund um Ushuaia und beschließen, erst im neuen Jahr nordwärts zu fahren.

Woche 18 (16.12.19 – 22.12.19)
Zeltromantik, ein Puma und türkisestes Türkis – wir schnuppern Trekkingluft im Nationalpark Torres del Paine | Teil II

Fortsetzung von Woche 17 (09.12.19 – 15.12.19)
Nach 3 Pausentagen, an denen wir Noras 5. Geburtstag feiern und kleinere Wanderungen machen, steht die Wanderung zum imposanten Grey-Gletscher an.
Wieder ist die Wettervorhersage miserabel, aber wir haben ja die Erfahrung gemacht, dass man der Wettervorhersage in Patagonien sowieso nicht trauen kann. In diesem Fall sollte sie jedoch recht behalten.
Die Fahrt mit dem Katamaran über den türkisfarbenen Lake Pehoe zum Startpunkt der Wanderung erleben wir noch trocken, dann beginnt der Regen. Und er hört erst wieder am Nachmittag des nächsten Tages auf. Dieses Mal schleppen wir das gesamte Campingequipment mit – ein Zelt, 4 Schlafsäcke, 3 Isomatten. Die Kraxe haben wir quasi zum Rucksack umfunktioniert. Trotz der widrigen Bedingungen läuft auch Jakob die 11 km fast komplett selbst – bis auf einen Powernap im Ergobaby. Gottseidank bergab, denn 15kg vorne und knapp 20kg hinten sind schon grenzwertig. Trotz bester Funktionsbekleidung sind wir bis auf die Knochen durchnäßt, als wir nach 7 Stunden am matschigen Refugio Grey ankommen. Peter baut unser Zelt auf, während die Kinder und ich uns triefend auf die Ledercouch im Restaurant der Grey Lodge setzen, die nassen Socken ausziehen und versuchen, zumindest ein bisschen zu trocknen. In der kleinen, dampfigen Campingplatzküche, in der sich der Geruch von Schweißsocken mit dem von asiatischen Nudeln mischt, essen wir unseren mitgebrachten, in der Kraxe ausgelaufenen Reis mit Brokkoli. Hier kommen wir uns weniger fehl am Platz vor als zwischen all den frischgeduschten Lodge-Trekkern, die mit einem Cocktail in der Hand auf ihr Dreigängemenü warten.Die Schlafsäcke sind weitestgehend trocken geblieben und ein Teil der Wechselklamotten für die Kinder zum Glück auch. Alles andere verstauen wir irgendwie im und vor dem Zelt. Dafür, dass wir zu viert in einem Zweimannzelt schlafen, direkt unter den aufgehängten, naßen, stinkenden Socken, ist die Nacht eigentlich ganz ok. 
Unsere Hoffnung, dass das Wetter am nächsten Tag besser ist, wird jäh zunichte gemacht, als wir vom auf das Zelt prasselnden Regen um kurz nach 6 aufwachen. Wir befürchten, dass unsere Kids es nicht mitmachen, einen zweiten Tag infolge so lange im Regen zu wandern, zumal die Klamotten und Schuhe ja bereits jetzt schon naß sind – und erstmals kommt der Gedanke auf, dass wir ganz schön bescheuert sind, so eine Tour mit Kindern zu machen. Unser primäres Ziel ist jetzt nur noch, irgendwie mit den Kids wieder zurück zu kommen. Und so laufe dann auch nur ich alleine die 500m zum Mirador, von dem aus man direkt auf den Gletscher und die Eisberge im Wasser blicken kann, während Peter versucht, mit einer heißen Schokolade auf der Ledercouch keine schlechte Laune bei den Kids aufkommen zu lassen. Und tatsächlich erfolgt der Rückweg ähnlich problemlos wie der Hinweg, obwohl jetzt auch noch ziemlich starker Wind dazugekommen ist. Jakob macht wieder zwischendurch einen Powernap im Ergobaby und hält ansonsten bis zum Schluß durch. Die letzte Stunde kommt dann sogar die Sonne raus und trocknet in Kombination mit dem Wind unsere Klamotten. Als wir auf den Katamaran warten, machen unsere Kids einen deutlich fitteren Eindruck als wir selbst.
Wir können es gar nicht fassen, was diese kleinen Menschlein da geleistet haben und bekommen ein wenig Angst, dass wir in ein paar Jahren gar nicht mehr mit ihnen mithalten können…

Woche 17 (09.12.19 – 15.12.19)
Zeltromantik, ein Puma und türkisestes Türkis – wir schnuppern Trekkingluft im Nationalpark Torres del Paine | Teil I

„Incredible“, „coolest family ever“, „badass girl“, „how old are they?“, „oh wow“, „you are amazing“ – ungefähr jeder zweite Trekker, der uns auf der berühmten W-Route im Torres del Paine Nationalpark entgegenkommt, kommentiert unser Familientrekking im Zelt. 
Um die komplette W-Route laufen zu können, hätte man die Zeltplätze bereits Monate im Voraus buchen müssen. Das hatten wir aber sowieso nicht vor. Aber wir konnten relativ spontan ca. 10 Tage davor Übernachtungen auf den Zeltplätzen der beiden „Außenschenkel“ des Ws ergattern und können somit 2 Zweitagestouren machen. 
Unsere erste Tour führt uns zum Fuße der berühmten „3 Zinnen von Chile“ – übrigens ungefähr doppelt so hoch wie die 3 Zinnen in den Dolomiten. Die Wettervorhersage verspricht nichts Gutes, Tagestemperaturen zwischen 3 und 7 Grad und viel Regen. Dazu der übliche patagonische Wind. Wir wandern bei strahlendem Sonnenschein und Windstille im Longsleeve los und erreichen nach rund 3 Stunden das 5,5 km entfernte Refugio Chileno. Eine leichte Etappe, die auch Jakob mit seinen drei Jahren komplett selbst gelaufen ist. Von nun an nehmen wir uns den Spruch zu Herzen, der dort auf einem Zettel prangt: „Don‘t ask for the weather – live the Patagonia“. Im Refugio Chileno erwartet uns ein bereits aufgebautes Zelt samt Isomatten und Schlafsäcken – das war die einzige noch verfügbare Option. Insofern hält sich unser Gepäck in Grenzen: Lediglich die Kinderschlafsäcke und eine weitere Isomatte müssen wir schleppen – neben Essen für 4 Personen für 2 Tage. Es zieht dann zwar zu, aber bleibt weitestgehend trocken. Am nächsten Tag klingelt der Wecker um 6 Uhr. Nach einem Zelt-Müsli starten wir los – es ist ziemlich bedeckt, aber regnet nicht. Das letzte Stück vor den Torres ist als schwierig klassifiziert – über große, zum Teil glitschige Felsblöcke geht es steil nach oben. Nora meistert es mit Bravur, Jakob kommt in die Kraxe. Als wir nach 3,5 Stunden oben sind, liegen die Torres in Wolken. Wir sind jedoch guter Dinge, dass es noch aufreißt. Tut es aber nicht. Es zieht immer mehr zu und wird ziemlich kalt. Wir ziehen sämtliche Schichten und Handschuhe an und beschließen nach 1 Stunde abzusteigen, schweren Herzens und ohne das typische Instagram-Motiv im Kasten. Wir sind keine 20 Minuten gegangen, als plötzlich Wind aufkommt und die Torres innerhalb weniger Minuten von den Wolken befreit. In Anbetracht des langen Abstiegs kehren wir nicht nochmal um und begnügen uns damit, dass wir am Tag davor einen Puma gesehen haben, was ja viel außergewöhnlicher ist, als die Torres bei Sonnenschein zu sehen. Beim Refugio Chileno dopen wir unsere Kinder mit der schokoladigsten heißen Schokolade ever und so meistern beide den Abstieg.
Insgesamt waren wir an dem Tag 11 Stunden unterwegs, Nora ist die kompletten 14 km und ca. 700 hm gelaufen, Jakob immerhin 11 km. Wir sind schwer beeindruckt und guter Dinge, was unsere zweite Trekkingtour angeht.
Fortsetzung in Woche 18 (16.12.19 – 22.12.19)

Woche 16 (02.12.19 – 08.12.19)
Die Overlanding Community – so verschieden und doch so gleich

Ob per Lichthupe oder Handzeichen – wenn man auf den Straßen Argentiniens einem anderen Camper begegnet, grüßt man sich. Noch bevor das Kennzeichen erkennbar ist, können wir mittlerweile mit einer Trefferwahrscheinlichkeit von 90% sagen, aus welchem Land der Camper kommt. Handelt es sich um ein gewöhnliches Wohnmobil, sind es meistens Franzosen, oftmals mit 2 oder mehr Kindern im schulpflichtigen Alter. Die dicken Expeditionsmobile kommen mit hoher Wahrscheinlichkeit aus Deutschland oder der Schweiz und werden meistens von Ruhe- bzw. Vorruheständlern gefahren. Die großen, älteren Pick-Up-Camper haben oft nordamerikanische Kennzeichen. Allerdings reisen damit häufig zumeist jüngere Europäer. In der Tat sind wir auf unserer bisherigen Reise noch keinem einzigen Nordamerikaner begegnet. Stylische alte VW-Busse kommen meistens aus Brasilien. Und die riesigen, zu originellen Reisemobilen umfunktionierten Busse haben fast immer argentinische Besitzer. So unterschiedlich die Reisemobile sind, so vielfältig sind auch die Arten zu reisen. Viele reisen mit einem zeitlichen Rahmen von rund einem Jahr. Dann gibt es die Open-End-Reisenden, die zuhause alle Zelte abgebrochen haben. Und diejenigen, die zwar seit x Jahren reisen, aber jedes Jahr mehrere Monate in der Heimat verbringen. Manche reisen mit dem Partner oder der ganzen Familie, andere alleine oder mit Hund. In Uruguay und im Norden Argentiniens sind wir kaum anderen Overlandern begegnet, außer an ein paar Hotspots. Je weiter wir südlich kommen, desto mehr werden es. Die Camperdichte ist aber dennoch in keinster Weise mit der europäischen vergleichbar. Wenn wir an einem Platz drei anderen Travellern begegnen, sind das viele. Und so ist es eigentlich üblich, dass man mit fast allen Travellern – zumindest mit den europäischen – ins Gespräch kommt und Blogadressen bzw. Instagram-Accounts austauscht. Und egal, wie verschieden man doch unterwegs ist, so sind es doch die gleichen Themen, die einen beschäftigen. Wo man seine Gasflaschen befüllt bekommt. In welchem Land man am günstigsten an Reifen kommt. Wo es warme Duschen gibt, die zudem noch einigermaßen sauber sind. Welche Lebensmittel über welche Grenzen eingeführt werden können. Welche Straßen wie beschaffen sind. Wie die Sicherheitslage in bestimmten Ländern aktuell ist.
Ja, oftmals sind es nur sehr oberflächliche Gespräche. Aber man fühlt sich irgendwie verbunden. Vor allem, weil man merkt, dass alle für die gleiche Sache brennen und in gewisser Hinsicht ähnlich ticken: Die Freiheit, die ein Leben „on the Road“ mit sich bringt, das Fahren durch faszinierende Landschaften, das Beobachten von Tieren in der freien Wildbahn, das Eintauchen in fremde Kulturen und die Offenheit für Neues und Anderes. Dabei der weitestgehende Verzicht auf Luxus und Annehmlichkeiten, die einem eine Wohnung oder ein Haus bieten. Es sind alles Menschen, die die Prioritäten im Leben zumindest temporär anders setzen als ein Großteil der Menschen. Und das schweißt irgendwie zusammen, auch wenn man noch so verschieden ist.

Woche 15 (25.11.19 – 01.12.19)
Über unsere Reiseapotheke und das, was am besten hilft

Werbung | „Und was macht ihr, wenn die Kinder krank werden?“ war eine Frage, die uns im Vorfeld unserer Reise recht häufig gestellt wurde. Tatsächlich sind wir in der glücklichen Lage, dass unsere Kids in ihrem bisherigen Leben noch nie so krank waren, dass sie Medikamente einnehmen mussten, mit Ausnahme von ein paar mal Nurofen bei Jakob, den das Zahnen damals extrem gequält hatte. Von daher sind wir bei diesem Thema recht entspannt.
Nichtsdestotrotz haben wir uns im Vorfeld unserer Reise natürlich auch mit dem Thema Impfungen und möglichen Krankheiten in den Ländern, die wir bereisen, befasst und eine Auslandskrankenversicherung für Langzeitreisen abgeschlossen. Und da wir oftmals fernab der Zivilisation unterwegs sind, haben wir einen 30l-Rucksack voll mit Medikamenten mit an Bord, für den Fall der Fälle.
Ca. 1 Jahr vor Abflug haben wir uns bei einem Tropenmediziner bzgl. Impfungen und Reiseapotheke beraten lassen.
Mit den Impfungen haben wir dann auch sehr zeitig begonnen, um unseren Kindern nicht innerhalb kürzester Zeit die volle Dröhnung zu geben.
Unsere Reiseapotheke haben wir recht kurzfristig besorgt, größtenteils online bei der Shop Apotheke. Das ist doch deutlich günstiger, als wenn man alles bei der Apotheke ums Eck besorgt. Und viel länger muss man auch nicht warten.
Übrigens übernehmen auch einige gesetzliche Krankenkassen die Kosten für Reiseimpfungen und bestimmte Medikamente, auch, wenn man dafür nur Privatrezepte hat. Es lohnt sich also, dort im Vorfeld mal anzufragen bzw. die Rezepte/Rechnungen auf gut Glück einzureichen!
Neben Pflaster, Verbandmaterial und Wunddesinfektion haben wir diverse Schmerzmittel dabei. Zudem Medikamente gegen Darminfektionen, starke Übelkeit und diverse Hautinfektionen. Ein auf das jeweilige Körpergewicht abgestimmte Breitbandantibiotikum ist mit an Bord. Und auch ein Standby-Medikament für Malaria, ein Medikament im Falle von Höhenkrankheit und eine Adrenalinspritze für den Fall eines anaphylaktischen Schocks. Nach den drei Monaten und 8.000 Kilometern, die wir jetzt unterwegs sind, waren weder wir noch die Kinder ein einziges Mal krank oder haben sich ernsthaft verletzt. Wir sind der festen Überzeugung, dass ersteres damit zusammenhängt, dass wir, egal, bei welchem Wetter, fast ständig draußen sind. Trotzdem ist es ein beruhigendes Gefühl, zumindest für einige Krankheiten ein geeignetes Medikament griffbereit zu haben.

Woche 14 (18.11.19 – 24.11.19)
Cabo Raso – das einzige, das hier rennt, ist der Wind

55km Schotterpiste in die eine Richtung, 80km in die andere. Dazwischen liegt Cabo Raso, eine auf den ersten Blick recht unscheinbare Ansammlung von verfallenen Steinhäusern. Auf dem Weg dorthin, der uns durch atemberaubende, einsame Landschaften führt, begegnen wir keiner Menschenseele. Dafür umso mehr Schafen, wilden Pferden und Guanakos, die, aufgescheucht von den wohl recht seltenen Motorengeräuschen in dieser Gegend, zum Teil knapp vor uns über die Piste springen.
Pünktlich zum Sonnenuntergang erreichen wir Cabo Raso und werden sogleich von einem übers ganze Gesicht strahlenden jungen Mann empfangen, dessen Alter wir nur schwer schätzen können. Er informiert uns über die verschiedenen Orte, an denen wir campen können. Wir entscheiden uns für einen etwas abgelegeneren Platz, der zumindest ein bißchen Windschutz zu bieten scheint – neben einem ehemaligen Militärbunker, der zu einem Aufenthaltsraum für Camper umgebaut wurde, samt Indoor-Feuerstelle. Daneben steht ein ausrangierter, kunstvoll besprayter Bus. Mit einer Reihe von Stockbetten genießt er nun ein zweites Leben als Schlafsaal.
Am nächsten Tag melden wir uns zum Abendessen an, bekommen hausgemachte Pasta mit Lamm aufgetischt, das wohl frisch geschlachtet wurde, und lernen die Familie kennen, die sich mit dem Wiederaufbau des geschichtsträchtigen Ortes einen Herzenstraum erfüllt. In den späten 1800er-Jahren handelte es sich wohl um eine prosperierende Siedlung. Mit dem Bau der neuen Ruta 3, die weiter im Landesinneren verläuft, wurde der Ort jedoch von der Hauptverkehrsachse abgeschnitten und in den 1950er Jahren von allen Bewohnern verlassen. Später wurde die Siedlung von einer einzelnen Frau bewohnt, bis sie durch einen Großbrand in weiten Teilen zerstört und anschließend geplündert wurde.
Eduardo und Elaine versuchen nun, die Gegend mit nachhaltigem Tourismus wiederzubeleben. Acht Jahre lang haben sie die Küste von jahrzehntealtem Müll befreit. Seit 12 Jahren bauen sie die verfallenen Häuser wieder auf, aus kunstvoll recycelten Materialen, und bieten darin Unterkünfte in verschiedenen Preiskategorien an.
Wir lernen auch die Tochter kennen, die gerade auf Heimatbesuch ist. Sie ist schon viel auf der Welt herumgekommen und spricht diverse Sprachen fließend.
Der Sohn verbringt als passionierter Surfer den Großteil seiner Zeit auf dem Wasser. Cabo Raso bietet neben kilometerlangen Stränden, einsame Küstenpfaden und einer Seelöwenkolonie wohl auch eine der besten Wellen Argentiniens. Als wir da sind, läuft sie jedoch nicht und so begnügen wir uns damit, einem Seelöwen beim Surfen zuzuschauen.Von Elaine erfahren wir, dass Quiksilver plant, hier einen Film zu drehen. Die damit wahrscheinlich einhergehende Kommerzialisierung dieses Ortes mit seiner einzigartigen Atmosphäre, der die Auswirkungen der argentinische Wirtschaftskrise schon recht deutlich zu spüren bekommt, ist für die Familie wohl Fluch und Segen zugleich.

Woche 13 (11.11.19 – 17.11.19)
Wie uns weiße Magie erdet

Nach den 3 Monaten, die wir jetzt unterwegs sind und in denen wir bereits unglaublich viel erlebt und gesehen haben, stellen wir fest, dass wir manchmal schon regelrecht abgestumpft sind von den vielen Eindrücken. Dass es uns gar nicht mehr so sehr flasht, mit unserem Camper an einem einsamen Traumstrand zu übernachten, durch faszinierende Landschaften zu fahren oder Tiere, die man sonst nur aus dem Zoo kennt, in der freien Wildbahn zu sehen. Wir sind keineswegs des Vanlifes überdrüssig, vermissen keinerlei Annehmlichkeiten, die einem eine Wohnung bietet und wir sind weit davon entfernt, reisemüde zu sein. Aber manchmal müssen wir uns ganz bewusst wieder vor Augen führen, in was für einer glücklichen Situation wir uns eigentlich gerade befinden. Wie dankbar wir allein sein können, dass wir jeden Morgen ausschlafen und ganz entspannt alle zusammen frühstücken können. Müssen versuchen, ganz bewusst im Hier und Jetzt zu leben und den Moment noch mehr zu genießen. Bereits jetzt das zu empfinden, was wir mit großer Wahrscheinlichkeit empfinden werden, wenn diese Reise hinter uns liegt: Dass es die beste und intensivste Zeit in unserem Leben als Familie war. Das ist manchmal gar nicht so einfach – zu sehr ist das Reisen bereits zum Alltag geworden. 
Zum Teil denken wir bereits jetzt mit Wehmut an Erlebnisse in der Anfangszeit unserer Reise zurück, an die Zeit, in der wir noch alles vor uns hatten. Immerhin ist jetzt schon mehr als ein Viertel der Zeit rum. Der Gedanke, dass wir in nicht allzu ferner Zeit weniger Zeit noch vor uns haben werden, als wir bereits hinter uns haben, verursacht ein mulmiges Gefühl. Gleichzeitig überkommt uns aber auch ein Gefühl der Sehnsucht, wenn wir an Erlebnisse zuhause und unsere Freunde und Familie denken oder über den Facebook-Newsfeed mitbekommen, wie zuhause der Winter einkehrt.
Was gut hilft gegen dieses Gefühlsdurcheinander und uns irgendwie erdet, sind unsere Waschtage. Tage ohne vermeintliche Highlights mit profanen Tätigkeiten, oftmals an wenig pittoresken Orten. In der Regel lassen wir unsere Wäsche nicht in Wäschereien waschen, sondern waschen sie mit unserer manuellen Kurbelwaschmaschine „White Magic“. Bei einer Frequenz von ca. 10-14 Tagen und 4 Personen ist man da locker einen halben Tag mit Wasserkochen bzw. -holen, Kurbeln, Spülen, Wringen und Aufhängen beschäftigt. Und wenn das Wetter nicht mitspielt, zieht sich so eine Waschaktion gerne auch mal über mehrere Tage. Einerseits fühlt es sich gut an, wenn man es geschafft hat, die ganze Wäsche wieder einigermaßen sauber und trocken in den Schrank zu verfrachten. Und andererseits sind wir danach wieder aufnahmefähiger für all die Eindrücke und Erlebnisse, die wir unterwegs erfahren.

Woche 12 (04.11.19 – 10.11.19)
Über Orkas, Seeelefanten und die Erlebnisse, bei denen unsere Kinder am glücklichsten sind

Ja, wir haben auf der Halbinsel Valdés Wale gesehen, aus dem Fenster unseres Campers heraus und in unmittelbarer Nähe von einem Boot aus. Wir haben Orkas dabei beobachtet, wie sie nur wenige Meter von einem Strand voller Seelöwen und Seeelefanten entfernt auf Beutezug gehen. Und natürlich haben wir auch Pinguine zu Gesicht bekommen. Ohne Frage ganz große Erlebnisse, nicht nur für unsere Kinder, sondern auch für uns. Aber wenn wir uns die Momente vor unser geistiges Auge holen, in denen unsere Kinder den glücklichsten Eindruck gemacht haben, stellen wir fest, dass es nicht diese großen Erlebnisse sind.
Denn Orkas zu sehen bedeutete, mehrere Stunden über schlechte Pisten zu fahren, um zu einer bestimmten Uhrzeit an einem bestimmten Strand zu sein. Die gigantischen Iguazú-Wasserfälle zu sehen, setzte voraus, sich bei drückender Hitze an Unmengen anderer schwitzender Touristen vorbeizuschieben.
Sanddünen herunterkugeln, mit dem Papa stundenlang zuvor auf dem Papier geplante Städte aus Sand und Strandgut bauen, bei mäßig warmen Temperaturen ans Meer vorgehen, eigentlich nur, um mit den Füssen ins Wasser zu gehen, sich dann samt Klamotten doch komplett nass machen und feststellen, dass die Mama nicht schimpft, total crazy mit Mama und Papa zu Röyksopp vor dem Camper tanzen, nachdem wir festgestellt haben, dass wir unsere Solaranlage doch nicht geschrottet haben – das sind die Erlebnisse, bei denen wir feststellen, dass unsere Kinder strahlen und vollends zufrieden sind. Momente mit nicht gestressten Eltern, ohne jeglichen Zeitdruck und ohne Ziel.
In einem normalen Urlaub ist das für uns oft nicht realisierbar. Und im Alltag ist es noch schwerer. Zu sehr sind wir doch davon getrieben, selbst was zu erleben, unseren Kindern was zu bieten und die kostbare Zeit sinnvoll zu nutzen.
Zeit zu haben. Guten Gewissens mal einen oder auch mehrere Tage am Stück eigentlich nichts tun. Das ist es, was diese Reise für uns ausmacht, neben den großen Erlebnissen und den Menschen, die man unterwegs trifft.
Wenn wir unsere bisherige Zeit auf Valdés nochmal rekapitulieren, stellen wir fest, dass mit die beste Zeit eigentlich die war, als wir zusammen mit den „Freebirds“ Dagmar und Raimund aus Salzburg, die wir mittlerweile bereits zum 5. Mal in Südamerika getroffen haben, an einem wunderschönen einsamen Strand gecampt haben, ohne große Pläne und ohne dem Ziel, irgendwelche Tiere zu sehen. Mit Dagmar stundenlang mit einer Wolldecke im Wind zu „segeln“ hat Nora auf jeden Fall ein breiteres Grinsen ins Gesicht gezaubert als die Wale. Und für Jakob war es das Größte, mit Raimund Feuer zu machen. Und wir haben es genossen, zu sehen, wie unsere ansonsten recht zurückhaltenden Kinder Vertrauen zu anderen Menschen fassen, aus sich herausgehen und glücklich sind.

Woche 11 (28.10.19 – 03.11.19)
Wir sind in Patagonien angekommen – und haben einen neuen Weggefährten

Es ist nicht so, als hätte er uns komplett überrascht. Seitdem wir wieder am Meer sind, hat er regelmäßig vorbeigeschaut. Aber bereits in unserer ersten Nacht in Patagonien zeigt sich uns der für diese Region charakteristische Wind mit einer Heftigkeit, die wir nicht erwartet hatten. Er rüttelt unseren Camper so dermaßen durch, dass alle bis auf Jakob mehrere Stunden wachliegen. Fast so, als wollte er uns zu verstehen geben, dass unsere bisherige Reise durch Uruguay und Argentinien Kindergarten war und jetzt der Ernst beginnt.
Tatsächlich ist in den 8 Wochen Vanlife, die wir jetzt hinter uns haben, alles wie am Schnürchen gelaufen. Unser Camper hat die Verschiffung und bislang auch die zum Teil schon recht fiese Ripio (Schotterpiste) unbeschadet überstanden. Wir mussten noch nicht auf Reserve fahren und haben sämtliche Polizeikontrollen souverän und ohne Geld abzudrücken gemeistert. Unsere riesige Medikamententasche konnten wir erst um ein paar Pflaster erleichtern und wir sind mindestens 1x/Woche in den Genuß einer warmen Dusche gekommen. Auch das Wasserthema war bislang weitaus unproblematischer als angenommen. Das Leitungswasser galt oftmals als trinkbar, unseren Wassertank konnten wir an den meisten Tankstellen auffüllen. Lediglich für das Auffüllen unserer Gasflaschen ist schon mal ein ganzer Tag draufgegangen. Unser Reiserhythmus hatte sich schnell eingespielt und scheint auch für die Kinder gut zu passen. Und dafür, dass wir 24/7 auf engstem Raum zusammen sind, geht es eigentlich recht harmonisch zu. 
Im Landesinneren waren wir des öfteren auf Campingplätzen, wobei viele bis auf die Bezeichnung nicht viel gemeinsam haben mit europäischen Campingplätzen. Oft waren es kostenlose, von den Ortschaften zur Verfügung gestellte Plätze oder sie waren offiziell noch geschlossen, sprich, es war kein Personal dort und meistens waren wir auch die einzigen Camper. 
Seitdem wir wieder am Meer sind, stehen wir wild – und sind absolut überwältigt von den Traumplätzen, auf denen wir bislang gelandet sind. Statt wie viele andere Traveller möglichst zügig zur Halbinsel Valdes zu fahren, lassen wir uns Zeit und steuern Orte an, die nicht im Reiseführer aufgeführt sind. So haben wir zum Beispiel in einem kleinen Ort mitten im Nichts einen superschönen Salzsee entdeckt und einen genialen Thermalkomplex im argentinischen Marke Eigenbau-Stil, mit diversen Schlamm- und Matschbecken, die von heißen Salzwasserquellen gespeist werden. Genau zur rechten Zeit, nämlich, als mal wieder eine Dusche angebracht war.
Meistens bleiben wir so lange an einem Ort, bis unser Wasser aufgebraucht ist. Oder unser Obst und Gemüse, damit es uns nicht bei einem der hier zahlreichen Fruit & Meat – Checkpoints abgenommen wird. Weniger zahlreich sind mittlerweile die Tankstellen und Gelegenheiten, ins Internet zu gehen. Wobei zumindest letzteres schon auch seinen Reiz hat…

Woche 10 (21.10.19. – 27.10.19)
Unruhige Zeiten in Südamerika – unsere ad hoc-Reiseplanung bewährt sich

Im Vorfeld unserer Reise sind wir oft gefragt worden, wie denn unsere Reiseroute genau aussieht und welche Orte auf unserer Bucketlist stehen. Aus verschiedenen Gründen haben wir bewusst immer recht vage geantwortet: „Wir starten in Uruguay, wollen nach Feuerland und unseren Camper von Kolumbien aus zurückverschiffen lassen“. Einerseits hatten wir neben den ganzen organisatorischen Erledigungen kaum Zeit, uns inhaltlich mit der Reise zu beschäftigen. Andererseits lassen wir uns gerne treiben und uns unterwegs inspirieren –  wir leben quasi die relativ abgedroschene Phrase „der Weg ist das Ziel“. Und dazu kommt dann auch noch die Tatsache, dass es gerade in Südamerika sehr schwierig ist, Prognosen zu treffen, wie die Sicherheitslage in bestimmten Ländern in einigen Monaten aussehen wird. Dass Venezuela aktuell kein gutes Reiseziel darstellt, war klar. Kolumbien beispielsweise galt aber in den letzten Jahren als verhältnismäßig sicheres Reiseland, ebenso Ecuador. Chile und Argentinien sowieso. Momentan scheint aber fast überall „fuego“ zu sein, wie es Juan, der Verwalter unseres Campingplatzes in Tandil auf den Punkt bringt. Damit meint er nicht die Waldbrände. Die Tatsache, dass auch in den internationalen Medien vermehrt davon berichtet wird, lässt vermuten, dass unser Eindruck nicht nur daraus resultiert, dass wir uns nun jenseits unserer gewohnten Filter-Bubble befinden. Die Farc hat Anfang August bekanntgegeben, dass sie in Kolumbien den bewaffneten Kampf wieder aufnehmen möchte, in Chile und auch in Ecuador brodelt es ganz aktuell, vor allem größere Städte sollten aufgrund der Unruhen gemieden werden. Argentinien, wo wir uns nach wie vor befinden, steht unmittelbar vor dem nächsten Staatsbankrott. 
Als Traveller waren wir davon bisher wenig beeinträchigt bzw. haben nicht viel mitbekommen, abgesehen von Demonstrationen in Buenos Aires. Und das Abheben von Bargeld gestaltet sich als etwas schwierig. Um zu verhindern, dass die Menschen aufgrund der Inflation größere Mengen Bargeld abheben, sind die Maximalbeträge, die an ATMs ausgegeben werden, oft äußerst gering.
Gestern fanden hier allerdings die Präsidentschaftswahlen statt, der amtierende wirtschaftsliberale Präsident Macri unterlag seinem Herausforderer, dem Mitte-Links-Politiker Fernández, der künftig zusammen mit der ehemaligen Regierungschefin Kirchner mal wieder einen peronistischen Regierungskurs einschlagen wird. Wie sich die Lage in der nächsten Zeit entwickeln wird, ist unklar. Juan befürchtet auch in Argentinien noch turbulentere Zeiten.
Wir haben kurz vor den Wahlen den größeren Städten im Landesinneren den Rücken gekehrt und befinden uns nun, nach 6 Wochen, wieder am Meer. In den nächsten Wochen werden wir die recht einsame Ostküste Argentiniens bis nach Feuerland herunterfahren und hoffen, dass sich die Lage in Chile wieder normalisiert – nicht nur, um unsere Reise durch Chile fortzusetzen. Ecuador und Kolumbien werden wir aber wohl canceln und unseren Camper stattdessen wieder aus Montevideo zurückverschiffen lassen – nach jetzigem Stand.

Woche 9 (13.10.19. – 20.10.19)
Triptico de la Infancia – sehen, fühlen, kreieren und staunen in Rosario

Unser Stadtpensum ist eigentlich noch ziemlich voll nach den 2,5 Wochen in Montevideo und Buenos Aires zu Beginn unserer Reise. Trotzdem wollen wir uns Rosario, den Geburtsort von Che Guevara und Lionel Messi nicht entgehen lassen. Aber nicht deswegen. Und auch nicht wegen des Nachtlebens, das man in dieser sehr relaxten Studentenstadt am Rio Paraná genießen könnte – wäre man ohne Kids unterwegs. Der eigentliche Grund ist das „Triptico de la Infancia“, eine Mischung aus Kreativwerkstätten, Mitmach-Museen und niveauvollem Vergnügungspark, das sich auf drei Orte in Rosario verteilt.
Wir starten mit „La Granja de la Infancia“, einer Art Bauernhof, der auf dem Gelände einer ehemaligen Müllverwertungsanlage am Rande von Rosario geschaffen wurde. Das wirklich Interessante sind aber nicht die Tiere und die liebevoll angelegten Gemüsebeete, sondern die nostalgisch und mit viel Liebe fürs Detail eingerichteten Themenräume, in denen die unterschiedlichsten Aktivitäten für Kinder angeboten werden. Dummerweise aber nur am Wochenende. Unter der Woche können nur angemeldete Schulklassen daran teilnehmen. Wir haben aber Glück, unsere Kids dürfen sich einer ersten Klasse aus einem Vorort von Rosario anschließen. In einem Raum voller Reagenzgläser, getrockneter Blätter und Blüten, Tinkturen und Aromen hantieren sie mit Blütenpressmaschinen und identifizieren Gerüche. Nebenan lernen sie, Körbe zu flechten. Und zum krönenden Abschluss backen sie in der Bäckerei ihr eigenes Brot, das anschließend natürlich auch verkostet wird. Lediglich aufs Töpfern müssen sie verzichten.
Am nächsten Tag, nach einer zumindest für uns Erwachsene recht unruhigen Nacht, geht’s weiter mit „El Jardin de los Ninos“, einem Park auf dem Gelände eines ehemaligen Zoos in der Stadtmitte. Wir übernachten kurzerhand direkt davor, am Rand einer sechsspurigen Straße, nachdem wir drei potentielle Übernachtungsplätze erfolglos angesteuert hatten und gelernt haben, dass argentinisches Campen oftmals nichts mit Übernachten zu tun hat, sondern lediglich bedeutet, nachmittags an einem öffentlichen Ort zu grillen…
Die Flugmaschine ist ihnen nicht so ganz geheuer, aber aus einem aus elastischen Netzen gebauten Piratenschiff und einem aufwendig konstruierten Rutschen- und Klangturm aus Stahl sind sie kaum mehr wegzubewegen. In einem verzauberten Wald mit wispernden Bäumen, singenden Brunnen und flüsternden Steinen sprechen sie in einen dem römischen Bocca della Verità nachempfundenen Mund, der das Gesagte im ganzen Wald hallend wiedergibt, bevor sie ihre Wünsche auf Zettel schreiben und diese anschließend in Rauch aufgehen lassen. In einer Werkstatt, die sich den Forschungen von Leonardi da Vinci widmet, lernen sie den Mechanismus von Flaschenzügen, Mühlrädern und Kugellagern kennen.
Eigentlich bereits genug Sinneseindrücke für einen Tag. Aber nachdem wir keine Lust haben auf eine weitere Nacht, in der wir jede halbe Stunde von hochfrisierten Motorrädern geweckt werden, die einen halben Meter von unseren Köpfen entfernt vorbeidonnern, steuern wir direkt auch noch „La Isla de los Inventos“ am Flußufer an. Es handelt sich dabei um die ehemalige Halle des Hauptbahnhofs, die so restauriert wurde, dass der ursprüngliche Eindruck erhalten blieb. In den damaligen Kassenhäuschen beispielsweise sitzen nun Angestellte, die den Kindern bei den unterschiedlichsten Mal- und Bastelangeboten helfen. In einer früheren Wartehalle können verschiedene Farb- und Drucktechniken ausprobiert werden. Nora und Jakob schöpfen hier ihr eigenes Papier, bevor sie in der „Werkstatt für kaputte Herzen“ mit Hammer und einer Art Meißel verbeulte Blechherzen reparieren. Aus den vielen hergestellten Einzelstücken der unterschiedlichen Stationen entstehen in der Gesamtheit jeweils eindrucksvolle Kunstwerke. Die ehemalige Gepäckaufbewahrung wurde in ein Archiv für Ängste umfunktioniert – ganz bürokratisch mit Wartemarken und vielen Verbotsschildern wie „Es ist verboten, dass Erwachsene die Ängste von Kindern kleinreden“ etc.
Nach den 2 Tagen sind wir alle ziemlich reizüberflutet. Und zutiefst beeindruckt, was die Stadt da auf die Beine gestellt hat. Vor allem auch, weil sie diese wirklich hervorragenden pädagogischen Angebote durch ein Eintrittsgeld von umgerechnet 80 Cent allen Kindern zugänglich macht.

Woche 8 (07.10. – 13.10.19)
Wasserschweine, Kaimane und eine Anaconda – Wildlife im Iberá Nationalpark

Bei Regen oder nach starkem Regenfall solle man auf keinen Fall von Norden her in den Nationalpark Iberá fahren, heißt es im Lonely Planet und in der äußerst hilfreichen App iOverlander. Wir nehmen die Warnungen ernst und warten nach einem Tag Dauerregen einen weiteren Tag ab, bevor wir die 120 km Piste in Angriff nehmen. Bereits nach den ersten Metern wissen wir, dass es die richtige Entscheidung war. Die Piste ist zwar inzwischen weitestgehend trocken, aber die tiefen Furchen und Spurrinnen zwingen uns in weiten Teilen zu Schrittgeschwindigkeit. Schnell ist uns klar, dass unser Navi bei der angegebenen Ankunftszeit die Straßenverhältnisse viel zu optimistisch einschätzt – sie verschiebt sich kontinuierlich nach hinten. Nach knapp 5 Stunden erreichen wir den kleinen Ort Colonia Carlos Pellegrini an der ausschließlich durch Regenwasser gespeisten Lagune, die als einer der besten Orte in ganz Südamerika gilt, um Tiere in freier Wildbahn zu beobachten.
Die Campingplatzeinfahrt ist nochmal spannend, es ist beim Einfahrtstor eine Höhenbeschränkung von 3,10m angegeben. Ohne Dachkorb sind wir genau 3,10m. Peter arbeitet sich zentimeterweise vor, während ich auf der Leiter hinten auf unserem Camper stehe und die Höhe im Blick behalte – wir haben exakt 3cm Spiel. Auf dem Campingplatz werden wir von einer Reihe von Wasserschweinen und einem grandiosen Sonnenuntergang empfangen. Am nächsten Tag ist erstmal große Waschaction mit unserer handbetriebenen Kurbelwaschmaschine angesagt – die Sommerklamotten der Kids haben inzwischen fast alle den rotbraunen Farbton der für Nordargentinien typischen Erde angenommen.
Am Tag darauf ist es soweit: Bei sengender Hitze fahren wir mit einem Motorboot raus auf die Laguna, in der es wohl von Piranhas nur so wimmelt, und sehen nach ein paar Minuten Fahrt einen Meter neben dem Boot das erste Krokodil bzw. lediglich den Kopf, der aus dem Wasser schaut. Bei den Temperaturen sei es eher unwahrscheinlich, dass sich die Krokodile außerhalb des Wasser aufhalten, informiert uns Nicolas, unser Guide. Kurze Zeit später entdecken wir ein Prachtexemplar am Rande des Sumpfgebiets – mit aufgerissenem Maul und ohne die kleinste Regung. Wir stellen gerade die Vermutung auf, dass es sich um ein Plastikkrokodil handelt, das hier für die Touristen drapiert wurde, als es sich in Bewegung setzt. Neben Sumpfhirschen, sich im Matsch aalenden Wasserschweinen und jeder Menge schräger Vögel bekommen wir auch eine Anaconda zu Gesicht – zusammengerollt in einem Nest.
Am Abend dann auch beim inzwischen obligatorischen Sonnenuntergangschauen am Campingplatz ganz großes Tierdoku-Kino: Wir spotten auch hier Kaimane im seichten Wasser, wieder ziemlich regungslos, genau wie die zwei trägen Wasserschweine in unmittelbarer Nähe. Plötzlich rasen diese aber wir von der Tarantel gestochen los durchs Schilf, der Kaiman taucht mit einer schnellen Schwanzbewegung blitzschnell ab. Sekunden später herrscht wieder friedlichste Sonnenuntergangsstimmung. 

Woche 7 (30.09. – 06.10.19)
La Casa Ecologica de Botellas – ästhetisches Recycling mit sozialem Hintergrund

Coole Produkte aus recycelten PET-Flaschen gibt es ja inzwischen so einige – beispielsweise die genialen Pillow-Blankets von Voited, die uns natürlich auch auf unserem Trip begleiten.
Ähnlich wie die Iguazu-Wasserfälle fasziniert uns in Puerto Iguazu das „Casa Ecologica de Botellas“ – ein Haus, das fast ausschließlich aus PET-Flaschen, Tetrapaks und einer dünnen Schicht Zement gebaut ist! Die stilvolle Einrichtung und Accessoires bestehen ebenfalls aus Müll wie Plastikflaschen, Flaschendeckel, Kronkorken, Autoreifen etc.
Von Jorge, der hier Freiwilligenarbeit leistet und mit uns eine Hausbesichtigung durchführt, erfahren wir einiges über das Projekt – auch wenn wir mit unseren Basic-Spanischkenntnissen leider nicht alles verstehen, was er uns erzählt. Bei dem Haus hier in Puerto Iguazu handelt es quasi um den Vorzeige-Prototypen, der von einer Familie aus Puerto Iguazu entwickelt wurde – aus ihrem eigenen Plastikmüll und dem ihrer Nachbarn und Freunde. Deren Vision ist es, mit ihrem Projekt einen Beitrag zum Klimaschutz zu leisten, indem weniger Plastikmüll verbrannt wird, wie es vor allem in Entwicklungsländern oftmals der Fall ist. Gleichzeitig möchten sie den Bevölkerungsschichten, die aktuell in Papp- und Wellblechhütten hausen, eine Möglichkeit zeigen, wie sie ohne teure Baumaterialen recht veritable Häuser bauen können, die eine verhältnismäßig lange Haltbarkeit aufweisen. Die PET-Flaschen besitzen in Kombination mit den Tetrapaks sehr gute Isolations- und Schallschutzeigenschaften, in den Wänden lassen sich ohne Probleme Wasser- und elektrische Leitungen verlegen. 
Im Rahmen des Projektes wurden bislang einer Reiher solcher Häuser gebaut, in unterschiedlichen Regionen. Die Einnahmen aus den Eintrittsgeldern und dem Verkauf von originellen Recycling-Accessoires fließen laut Jorges Aussage in den Bau weiterer Häuser. Um das zu unterstützen, erstehen wir zum Abschluss noch einen zwar recht kitschigen, aber für unseren Camper äußerst praktischen Klopapierersatzrollenhalter – natürlich aus PET-Flaschen, mit gehäkelter Blümchenbordüre.

Woche 6 (23.09. – 29.09.19)
Heiße Quellen, freche Füchse und lila Mähdrescher – Glamping an der Grenze zu Argentinien

Seitdem wir in der Oase „San Nicanor“ bei Salto unmittelbar vor der argentinischen Grenze residieren, hat sich unser Rhythmus nochmal deutlich nach hinten verschoben. „Schuld“ sind die beiden Thermalbecken, die von heißen Quellen gespeist werden. Bei der Suche nach Öl in dieser Region sind die Ingenieure wohl zufällig auf das Wasserreservoir in mehr als 2.000m Tiefe gestoßen. Ein Becken hat ca. 30 Grad, das andere um die 40 Grad. Bei aktuell über 20 Grad und strahlendem Sonnenschein tagsüber schon fast zu heiß. Aber abends, sobald es dunkel und frischer wird, ein absoluter Traum. In den letzten Tagen hat es sich so eingespielt, dass wir nach dem Abendessen jeweils noch bis ca. 9 Uhr baden gehen. Bis die Kids dann schlafen, ist es oftmals 10 Uhr. Und somit beginnt unser neuer Tag eigentlich nicht vor 9 Uhr. 
Als wir am Wochenende dort angekommen sind, mussten wir die Becken noch mit ein paar Tages- und Wochenendgästen teilen. Seit Wochenbeginn haben wir diese und eigentlich das komplette Areal jedoch die meiste Zeit komplett für uns alleine – und das für ca. 20€/Nacht. Wobei, nicht ganz: Es tummeln sich hier nämlich eine Reihe von recht frechen Füchsen. Und wenn man nicht aufpasst, passiert es schon mal, dass diese einem die Sachen klauen, die man neben den Schwimmbecken liegen lässt. 
Zwischen unseren Badesessions machen wir Feuer an den Grillplätzen, über die jeder Stellplatz verfügt, chillen in der Hängematte, backen Brot und Kuchen, klettern auf den lila Mähdrescher, der hier rumsteht und nutzen das schnelle Wifi, um unsere Fotos auf die Dropbox zu laden.
Ein perfekter Ort, um sich vom Traveln zu erholen. Wobei wir das nach knapp 3 Wochen Vanlife eigentlich noch gar nicht nötig haben.
Nach 4 Tagen sind unsere Vorräte an Frischobst, Gemüse und Milchprodukten aufgebraucht – somit sind wir bereit für den Grenzübertritt nach Argentinien.

Woche 5 (16.09. – 22.09.19)
Endlose Weiten, strahlend blauer Himmel und Farmlife – Gaucho-Romantik im Valle del Lunarejo

Am ersten Morgen wachen wir noch auf, als der Hahn um 06:30 Uhr unmittelbar vor unserem Camper das erste Mal kräht. An den Folgetagen nehmen wir es gar nicht mehr bewusst wahr. Wir befinden uns auf einer sehr einfachen Estancia fernab der gewohnten Zivilisation. Die nächste richtige Straße ist zwar eigentlich nur 14km „Ripio“ (Schotterpiste) von uns entfernt, aber die 14km haben es in sich. Unser erster Versuch, die Estancia „Miradores del Valle“ zu erreichen, endete abrupt vor einem Fluss, der zwar in der Regel mit 4×4 Fahrzeugen passierbar ist, aber nicht mit einem überladenen Pick-Up-Camper nach 2 Tagen Dauerregen. Nach einer Nacht am Fluss haben wir am nächsten Tag einen neuen Versuch über eine andere Schotterpiste gestartet. Zwar gab es hier eine Brücke, aber diese sorgte für ein ähnliches Adrenalinlevel wie eine Flußüberquerung ohne Brücke. Mit Mühe und Not konnte man zwar noch auf einem verrosteten Schild erkennen, dass die Holzplankenkonstruktion wohl mal für bis zu 10t ausgelegt war, aber in Anbetracht der fehlenden Stücke war davon nicht mehr auszugehen. Die Kids und ich sind vorsichtshalber mal ausgestiegen…
Wir werden von ungefähr 5 Hunden, 2 Katzen, 20 Hühnern, 3 Hasen, einem Schaf und Nataly und ihrer Familie empfangen. Als Peter wieder einsteigt, um unseren Camper in eine gute Position für die nächsten Tage zu bringen, sitzt ein Huhn auf dem Beifahrersitz. 
Unsere bisher recht tierscheuen Kids sind anfangs völlig überfordert von den vielen Tieren, die hier frei herumlaufen. Nach ein paar Stunden verlieren sie ihre Angst und freunden sich mit Parda, einem Hundewelpen, an. Nur ab und zu, wenn ihnen ein Huhn zu nahe kommt, kriegen sie Panik. Wir schauen zu, wie ein in der Nacht zu früh auf die Welt gekommenes Schäfchen mit der Flasche gefüttert wird, weil die Mutter es verstoßen hat.
Um das landschaftlich äußerst reizvolle Valle del Lunarejo zu erkunden, ohne dabei ständig Rahmenbruch, geplatzte Reifen und sonstige mögliche Schäden an unserem Camper im Hinterkopf zu haben, lassen wir uns auf Schaffellen in der Pritsche von Nathalys Pick-Up durch die einsame, von markanten Hügeln geprägte Landschaft fahren, vorbei an unzähligen wilden Pferden, Kühen, kleinen Bächen und überschwemmten Wiesen. 
Dank unseres noch immer recht dürftigen Spanischs reiten die Kids nicht, wie angedacht, drei Runden geführt über die Koppel, sondern auch ich werde zusammen mit Nora aufs Pferd gesetzt, während sich Paola, Nathalys Schwester zu Jakob setzt, und wir reiten mehrere Kilometer durch recht ruppige Bilderbuchlandschaften – gauchostylemäßig natürlich ohne Helm und Sattel. 
Nach 4 Tagen sind unsere Essensvorräte aufgebraucht und wir ziehen weiter. Den Kids fällt der Abschied sichtlich schwer. Sie würden wahrscheinlich am liebsten die komplette verbleibende Zeit hier verbringen. Aber auch uns fällt das Weiterziehen diesmal nicht so leicht, nicht zuletzt aufgrund der Warmherzigkeit und Gastfreundschaft von Nathaly und ihrer Familie.

Woche 4 (09.09. – 15.09.19)
Lagerfeuer am Strand, selbstgebackenes Brot, Pinguin-Bestattungen – Simple Life im Nationalpark Santa Teresa

Wir haben unseren ersten richtigen „Happy Place“ gefunden! Seit drei Tagen stehen wir jetzt im Nationalpark Santa Teresa nahe der Grenze zu Brasilien. Direkt am Meer mit kilometerlangem strahlend weißen Sandstrand. Mutterseelenallein. Nur eine gute Freundin zeigt sich endlich mal wieder: die Sonne! Für zwei Stunden ist sogar Kurze-Hosen-Wetter. Aber sobald der Wind aufkommt, werden die Daunenjacken wieder ausgepackt. Aber lieber so als im Sommer mit tausenden von anderen Leuten, die den Nationalpark dann bevölkern. Nur ins 12 Grad kalte Wasser zieht’s uns nicht mit unseren dünnen Wetsuits, obwohl die Wellen ganz passabel wären. Aber die Tage vergehen auch ohne sportliche Aktivitäten recht schnell: Für unser Lagerfeuer am Strand sammeln wir 2 Stunden lang Holz. Ein 1km langer Strandspaziergang dauert ähnlich lang, weil uns unterwegs immer wieder tote Pinguine begegnen, die bestattet werden müssen. 
Die letzte Dusche ist ne Weile her und langsam werden unsere Vorräte knapp. Wir dachten nicht, dass wir hier mehr als 1 oder 2 Nächte stehen werden und hatten nicht übermäßig viel eingekauft. Natürlich könnten wir ohne weiteres losfahren und uns im nicht allzu weit entfernten Supermarkt wieder eindecken. Aber irgendwie haben wir dazu keine Lust. Nicht bei dem guten Wetter. Wir genießen es richtig, mal nicht alles im Überfluss zu haben, sondern zu versuchen, aus den wenigen Sachen, die wir noch haben, was Nahrhaftes und Leckeres zu zaubern. Wir hatten noch Mehl und Backpulver übrig von Jakobs Geburtstagskuchen und haben festgestellt, dass man auch ohne Hefe ganz schmackhaftes Brot backen kann. Und wie man plötzlich eine angematschte Tomate und zwei Eier zu schätzen weiß, wenn man ansonsten nur noch einen Rest Butter im Kühlschrank hat! 
Auch haben uns die Nudeln schon lang nicht mehr so gut geschmeckt wie heute Abend, obwohl die Soße nur aus passierten Tomaten, Sahne und Knoblauch bestand.
Und den Kindern ist inzwischen auch klar geworden, dass das Wasser nicht unbegrenzt aus dem Wasserhahn kommt.
Das alles ist natürlich „simple life“ auf hohem Niveau. Wir können drinnen kochen und pinkeln und könnten auch heizen, wenn wir frieren. Wenn die Sonne ausreichend auf unser Solarmodul ballert, können wir unser MacBook laden und dank unserem mobilen Router können wir sogar an diesem zumindest momentan recht unberührten Fleckchen Erde ins Internet. Aber ein bißchen simpler fühlt es sich schon an, als auf einem Campingplatz mit Wasser, Strom, Supermarkt und Wlan.

Woche 3 (02.09. – 08.09.19)
Ein nächtlicher Anruf, ein Container Kokain, tranquilo – Die RORO-Verschiffung unseres Campers von Hamburg nach Montevideo

Zum hundertsten Mal schweift unser Blick an diesem Nachmittag aus dem Fenster unserer Airbnb-Unterkunft auf den Rio de la Plata. Hat es sich nicht doch ein paar Millimeter bewegt? Über eine Boat Tracking App hatten wir herausgefunden, dass der Frachter, der am Horizont zu sehen ist, die Grande San Paolo ist, in der unser Camper seit mittlerweile fast genau 4 Wochen übers Meer schippert. Seit heute früh bewegt er sich allerdings nicht mehr, obwohl er laut der Reederei bereits morgens in Montevideo hätte anlegen sollte. Morgen früh sollten wir eigentlich ein weiteres Mal in das Büro der Reederei pilgern, um das langersehnte „Bill of Lading“ zu erhalten. Zweimal waren wir bereits erfolglos dort, jedes Mal haben wir dazu eine andere Aussage erhalten, wohl gemerkt von der gleichen Person. Es wird dunkel, die Lichter da draußen gehören eindeutig zu unserem Frachter. Er hat sich immer noch nicht bewegt. Betrübt gehen wir gegen halb eins schlafen. Ein letzter Blick – die Lichter sind nicht mehr zu sehen. Sind wohl auch alle schlafen gegangen. 
Bis auf Jakob schlafen wir alle schlecht. Bei Peter und mir liegt’s wohl auch an dem Mate-Tee und dem Cuba Libre, den wir abends getrunken hatten. Nachdem ich gefühlt gerade wieder eingeschlafen bin nach Noras nächtlichem Klogang, weckt mich Peter unsanft um 05:10 Uhr: „Mich hat gerade eine italienische Nummer dreimal versucht anzurufen und laut der Boat Tracking App hat die Grande San Paolo vor einer halben Stunde im Hafen angelegt“. Unser Rückruf war erfolglos, es ging nur ein Anrufbeantworter dran. An Schlafen war dann natürlich nicht mehr zu denken, tausend mögliche Gründe gingen uns durch den Kopf. Haben sie festgestellt, dass sie unseren Camper bereits irgendwo in Brasilien ausgeladen haben? Ist er beim Rausfahren ins Wasser gekippt? Ist ihnen aus Versehen ein Container drauf gefallen? Oder ist er nur nicht angesprungen? Finden sie den Schlüssel nicht mehr?
Da wir unsere Airbnb-Unterkunft nicht mehr verlängern konnten, ziehen wir in der Früh in ein Hotel in Hafennähe um. Anschließend wieder zum Büro der Reederei. Nein, wir würden auch heute unser „Bill of Lading“ nicht erhalten, der Frachter wäre erst in den frühen Morgenstunden angekommen und wir bekämen es erst nach dessen Abfahrt. Also mal wieder mañana. Und tranquilo, der Anruf hätte bestimmt nix zu bedeuten. Anschließend suchen wir Eduardo auf, den uns empfohlenen Zollagenten. Wir waren hin- und hergerissen, ob wir selbst versuchen, unseren Camper aus dem Hafen zu bekommen oder ob wir die Dienste eines Agenten in Anspruch nehmen. Im Nachhinein sind wir sehr froh, dass wir uns für letztere Variante entschieden haben. Auch wenn uns Eduardo erstmal die Hoffnung nimmt, dass wir unseren Camper noch vor dem Wochenende aus dem Hafen bekommen. 
Wir sollten am nächsten Tag, also Freitag, auf Abruf bereitstehen, er gibt uns per Whatsapp Bescheid, sobald er Neuigkeiten hat. Ziemlich angespannt und mit wenig Hoffnung, dass wir am Montag Jakobs Geburtstag irgendwo außerhalb der Stadt feiern können, verbringen wir den Vormittag auf einem Spielplatz neben der Zentralbank – in der einen Ecke schlafen Obdachlose, auf der anderen Seite marschieren ständig schwerstbewaffnete Polizisten vorbei, um die Geldtransporte zu bewachen. Dann endlich Nachricht von Eduardo: Er komme in einer Stunde im Hotel vorbei. Wir essen schnell noch ein paar Emapanadas, wer weiß, wie lang sich das jetzt hinzieht. Im Hotel treffen wir ein Pärchen aus Berlin, die ebenfalls auf Eduardo warten. Gegen halb drei ziehen wir mit Eduardo los, er gabelt noch weitere Kunden aus Österreich und der Schweiz auf. Ein kurzes Briefing am Hafeneingang: Die Sicherheitsvorkehrungen wurden wohl kürzlich ziemlich verschärft, nachdem Anfang August in Hamburg ein Container voll mit Kokain aus Montevideo aufgetaucht ist – der wohl bisher größte Kokainfund in Deutschland. Es wäre schwierig, in den Hafen hineinzukommen. Er stellt uns seinen Sohn vor, der wohl beim Hafen arbeitet und versuchen würde, uns reinzubringen. Er selbst würde in 5 Minuten nachkommen.
Wir sind drin. Alle anderen haben ihre Camper bereits entdeckt. Von unserem Bimi weit und breit keine Spur. Das ungute Gefühl, dass wir seit dem nächtlichen Anruf haben, verstärkt sich. Wir erfahren, dass unser Camper an einem anderen Lagerplatz steht, Eduardo würde uns mit seinem Auto dorthin fahren. Während der mehrere Kilometer langen Fahrt durch den Hafen erstmal Erleichterung: Der andere Lagerplatz wäre nur durch die Größe bedingt. Peter meint, im Vorbeifahren einen Blick auf unseren Bimi erhascht zu haben. Aber erstmal Warten im Büro einer Lagerhalle. Es scheinen irgendwelche Stempel in unseren Unterlagen zu fehlen. Eduardo fährt nochmal los. Eine freundliche Logistikmitarbeiterin bietet mir und den Kids an, uns in ein Hinterzimmer zu setzen. Die Kinder stellen Gottseidank mal nicht alles auf den Kopf und verhalten sich einigermaßen ruhig. Es ist inzwischen halb vier, spätestens um fünf ist Feierabend am Hafen und am Freitag ist laut Eduardo sowieso alles sehr tranquilo. Und uns steht die Zollprüfung noch bevor. Dann endlich: Wir dürfen zu unserem Bimi! Er ist vollgepflastert mit irgendwelchen Aufklebern vom Zoll, aber ansonsten scheint ihm nichts zu fehlen. Er springt sofort an und wir folgen Eduardo zum Zoll. 16:15 Uhr. Vor uns warten noch zwei andere auf die Prüfung ihres Campers. Dann verlassen die Zollbeamten plötzlich die Büros, wir befürchten, dass sie jetzt Feierabend machen und uns mitteilen, wir sollen am Montag wieder kommen. Sie drehen aber wohl zur Beschleunigung das Verfahren nur um und kontrollieren erst unseren Camper, bevor wir den Wisch erhalten, der uns die Ausfahrt ermöglicht. Um 16:45 Uhr sind wir draußen. Da wir in dem Parkhaus neben dem Hotel nicht parken können, beschließen wir, vorzeitig auszuchecken. Wir packen in Windeseile unser Zeug, während wir mit laufendem Motor im Haltevorbot stehen, stellen schnell alles in den Camper und fahren endlich aus der Stadt raus. Dann erstmal Aufatmen. Byebye Montevideo, new adventures ahead!

Woche 2 (26.08. – 01.09.19)
Yerba, Kalebasse und Bombilla – Wir frönen jetzt auch dem Ritual

Werbung | Nach einem 3-tägigen Kurztrip nach Buenos Aires sind wir wieder zurück „zuhause“, im 7. Stock des 23-stöckigen Hochhauses „Torre Barracuda“ in Montevideo, mit Blick aufs Meer bzw. den Rio de la Plata, auf dem hoffentlich bald unser Camper „vorbeischwimmt“. Denn eigentlich liegt Montevideo gar nicht direkt am Meer, sondern am Mündungstrichter der südamerikanischen Ströme Paraná und Uruguay in den Atlantik, der aber aufgrund seiner Größe wie das Meer anmutet – mal abgesehen vom kaffeebraunen Wasser.
Und auch die kleinen ovalen Gefäße mit den metallenen Röhrchen, die hier jeder Zweite quer durch alle Altersgruppen und Gesellschaftsschichten mit sich herumträgt, haben sich als etwas anderes herausgestellt, als wir zunächst vermutet hatten. Da Cannabis in Uruguay 2013 unter dem ehemaligen Präsidenten José Mujica legalisiert wurde und seit 2017 sogar in einigen Apotheken verkauft wird, lag der Gedanke nahe, dass es sich dabei um eine Art Wasserpfeife handelt. In den Gefäßen befindet sich auch ebenfalls grünes Kraut, allerdings wird dieses nicht in geräucherter, sondern in flüssiger Form konsumiert. Die Thermoskannen, die selbst gestandene Mannsbilder nebst den Gefäßen liebevoll wie Mütter ihre Babys im Arm halten, lieferten uns schließlich den Hinweis, um was es sich hierbei handelt: Um Mate, das uruguayanische Nationalgetränk, das zu jeder Zeit und an jedem Ort getrunken wird. Ursprünglich aus dem Endteil eines ausgehöhlten Flaschenkürbisses, aber inzwischen gibt es die sogenannten Kalebassen auch aus Holz, Edelstahl, Porzellan, Horn oder Plastik.
Um zu verhindern, dass man die Yerba-Blätter mittrinkt, wird das Aufgussgetränk mit einer Bombilla getrunken, einer Art Strohhalm mit einem Sieb am unteren Ende.
In größeren Runden wird das Mate-Trinken regelrecht als Ritual zelebriert: Der Matero trinkt den ersten, oft noch recht bitteren Aufguss. Dann füllt er Wasser nach und gibt die Kalebasse samt Bombilla weiter. Und zwar solange bis kein Wasser mehr da ist oder der Mate lavado ist, sprich, nach nichts mehr schmeckt.
Mate hat nicht nur eine anregende Wirkung ähnlich wie Kaffee, sondern ist zudem aufgrund der diversen enthaltenen Vitamine und Mineralien wohl auch noch ziemlich gesund.
Was uns auch äußerst positiv aufgefallen ist: Menschen mit Wegwerf-Coffee-to-go Bechern, die in vielen Großstädten das Stadtbild prägen, sieht man hier deshalb eigentlich fast gar nicht.
Seit ein paar Tagen sind wir nun auch stolze Mate-Utensilien-Besitzer. Zwar nicht stilecht mit einer Kürbis-Kalebasse, aber dafür passt unsere einfach perfekt zu unseren Thermos-Trinkflaschen von FLSK, die hier unsere ständigen Begleiter sind. Denn sie halten nicht nur heißes Wasser bis zu 18 Stunden warm, sondern auch kaltes Wasser über 24 Stunden kalt. Dabei sind sie absolut dicht und funktionieren auch mit kohlensäurehaltigen Getränken.

Woche 1 (19.08. – 25.08.19)
Tenemos tiempo y frio – Warten auf unseren Camper in Montevideo

Dass die Anspannung so schnell nachlassen, der Stress der letzten Monate so schnell von uns abfallen würde, hätten wir nicht gedacht. Doch bereits die Fahrt zum Flughafen senkte den Adrenalinspiegel in unserem Blut deutlich. Tatsächlich haben wir bis zur allerletzten Minute noch gerödelt, obwohl wir dachten, dass wir zumindest am Tag des Abflugs nicht mehr allzu viele ToDos hätten. Peter hatte gerade den Staubsauger verräumt und dann fuhr auch schon unser Flughafenshuttle vor. 
Auch die Vermietung unserer Wohnung hatte quasi in letzter Minute noch geklappt: Zwei Wochen vor Abflug haben wir den Mietvertrag unterschrieben. Wir hatten die Hoffnung schon fast aufgegeben und dann hat sich alles so gefügt, wie es besser nicht hätte sein können: In unserer Wohnung lebt nun Anahita, eine Ingenieurin aus dem Iran, deren Mann und Sohn hoffentlich auch bald nachziehen können. Sie ist bereits eine Woche vor unserem Abflug in unser Gästezimmer gezogen und in der Zeit hat sich bereits eine richtige Freundschaft zwischen ihr, den Kids und uns entwickelt.
Anfangs waren wir wenig begeistert, als wir aufgrund von ungeplanten Entwicklungen in Peters Job die Überfahrt unseres Campers auf den späteren Frachter umbuchen mussten. Denn das bedeutete, dass wir zunächst einmal mindestens 14 Tage ohne Camper im noch recht winterlichen Montevideo verbringen würden müssen. Mittlerweile sind wir ganz froh, dass wir uns nicht sofort nach der Ankunft mit Jetlag um den ganzen Papierkram kümmern mussten, um unseren Camper aus dem Hafen zu bekommen und anschließend asap um Gas für unsere Gasflaschen, die wir aber auch erstmal besorgen müssen. Seit dem Untergang der Grande America im Frühjahr vor der französischen Atlantikküste hat die Reederei die Transportbedingungen nämlich ziemlich verschärft und seitdem dürfen auch keine leeren Gasflaschen mehr transportiert werden. 
Stattdessen leben wir seit ein paar Tagen einfach in den Tag hinein. Am ersten Tag haben die Kids ab dem späten Nachmittag 14 Stunden am Stück geschlafen und wir haben es auch auf 12 Stunden gebracht. Jetlag war somit kein Thema, wir hatten sofort einen normalen Rhythmus. Seitdem machen wir keine großen Pläne, nehmen uns nichts vor, sondern verlassen unsere recht spartanische Airbnb Unterkunft dann, wenn uns danach ist. Oder wenn das Wetter vermuten lässt, dass es draußen wärmer ist als drinnen. Lassen uns treiben. Genießen es, keine ToDo-Listen mehr abarbeiten zu müssen und die Kinder nicht zur Eile antreiben zu müssen. Und merken, wie gut das den Kids und uns tut. 


4 Gedanken zu “1-jähriger Elternzeitroadtrip im Camper durch Südamerika: Peek of the week

    1. Hallo Hartmut,
      danke für deine Nachricht. Ja, wir sind zurück in Deutschland. Aktuell wohnen wir bei Peters Eltern in Franken, da unsere Wohnung noch vermietet ist. Das ist wegen den Ausgangsbeschränkungen jedoch gerade ziemlich luxuriös. Vom Abenteuer-Vanlife zur Pauschalversorgung bei den Eltern…

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